Die Kinderhexe
auszuführen. Aber noch bevor sie die Treppe erreichten, prasselten Steine auf sie herab, sodass sie sich schutzsuchend zurückziehen mussten. Hedwig führte das Kommando auf den Dächern. Sie würde jeden Versuch, Volkhardt zu nahe zu kommen, unterbinden.
Volkhardt fuhr fort. «Wenn Ihr erlaubt, Eure Gnaden, so möchte ich Euch berichten, wie Meister Faltermayer Euch seit Jahren hintergeht und einen großen Schatz vor Euch verborgen hält.»
Der Bischof zeigte sich überrascht. Die gute Arbeit seines Hexenkommissars war ihm viel wert, allerdings schätzte er eine gutgefüllte Kasse noch mehr.
«Sprich, aber fasse dich kurz.»
Volkhardt nickte. «Meister Faltermayer stand einst in Diensten eines anderen Fürsten, der ähnlich wie Ihr viel Kraft und Mühe aufgeboten hatte, das Hexenwesen in seinem Land zu bekämpfen. Dazu bediente er sich des jungen und ehrgeizigen Advokaten Faltermayer. Doch irgendwie gelang es ihm nicht so recht, dem Wunsch seines Herrn zu entsprechen, bis er eines Tages auf ein Kind aufmerksam wurde, das von sich behauptete, es könne zaubern. Zu dem einen Kind gesellte sich ein zweites, dann ein drittes und viertes. Alle behaupteten, ihre Zauberkünste direkt vom Teufel erhalten zu haben. Die Nachricht machte vielen Eltern Angst. Sie fragten sich, welch schlimme Sünden sie begangen haben mochten, wenn der Teufel nun schon ihre Kinder holte. Da merkten die Kinder, was für eine Aufmerksamkeit ihnen plötzlich zuteilwurde, und erfanden stets neue Geheimnisse, die sie mit dem Teufel und seinen Hexen teilten. Aus den vier Kindern wurden bald zwanzig, dreißig. Sie alle sagten von sich, dass sie nachts mit den Hexen ausführen und mit dem Teufel den Sabbat feierten. Darin erkannte Meister Faltermayer eine willkommene Gelegenheit. Er ließ die Kinder vorladen und befragen. Und siehe da: Es wurden ständig mehr, sodass es dem Fürsten schwindelig wurde. Was war nur mit seinem Land geschehen? Und wie konnten all die Prozesse, die sein Hexenkommissar führte, bezahlt werden?»
Der Bischof nickte. Die gleichen Sorgen plagten auch ihn.
«Da hatte Meister Faltermayer eine Idee. Er konfiszierte kurzerhand die Vermögen der Angeklagten, um die Prozesskosten zu bestreiten. Dabei merkte er, dass einiges übrig blieb und, wenn man die Anklage richtig handhabte, sogar noch mehr zu holen war.»
Die Miene des Bischofs verfinsterte sich. Obwohl er in seinem Land auf die gleiche Weise verfuhr, brauchten die Bürger diese Dinge nicht zu wissen.
«Was willst du damit sagen?», rief einer.
«Dass auch ihr für euren eigenen Tod teuer bezahlt.»
Faltermayer und der Bischof hatten genug gehört. Jemand musste diesem Bastard das Maul stopfen.
«Knechte», rief Faltermayer, «nehmt den Lügner fest.»
Die Knechte schickten sich an, die Bühne zu betreten, aber erneut hagelte es Steine.
«Ich kann verstehen», sagte Volkhardt, «dass Meister Faltermayer nichts davon hören will, aber ihr, Bürger von Würzburg, solltet die Wahrheit erfahren.»
«Recht hat er», rief einer.
Und ein anderer: «Lasst ihn sprechen.»
Die Zustimmung pflanzte sich fort, und so wagten die Knechte es nicht länger, gegen Volkhardt vorzugehen.
Dem Bischof wurde es ungemütlich. Er ließ unauffällig nach seiner Kutsche rufen.
«Dem Mut und der Aufmerksamkeit Meister Dürrs ist es zu verdanken», sprach Volkhardt, «dass alles, was ich euch sage, bewiesen ist.»
Er winkte Dürr auf die Bühne. Der trat mit seiner ledernen Tasche neben ihn und holte die entlarvenden Dokumente hervor.
«Das sind die Protokolle der falschen Zeugenaussagen und der erpressten Geständnisse», sagte er. «Ich selbst habe sie führen lassen, sie sind alle echt.» Dann zeigte er die Dokumente mit den Siegeln der Universitäten. «Und das sind die Gutachten, die eure Väter und Mütter, Geschwister, Nachbarn und Freunde vor dem Feuer hätten retten können, wenn sie nicht unterdrückt worden wären.»
«Wer hat das getan?», rief eine Frau.
«Warte noch einen Moment», antwortete Dürr. Er zeigte dem Volk noch mehr Dokumente. «Und hier sind die Vermögen, die die Büttel in euren Häusern konfisziert haben. Ihr wisst, dass Meister Faltermayer keinen Unterschied zwischen Arm und Reich gemacht hat. Selbst die Milch für eure Kinder war ihm nicht zu schade.»
Empörtes Raunen erhob sich, und der Bischof spürte, dass es höchste Zeit für die Kutsche war. Wenn dieser vermaledeite Dürr weitersprach, würde sich seine Knauserigkeit rächen, nicht in eine
Weitere Kostenlose Bücher