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Die Klaue des Schlichters

Die Klaue des Schlichters

Titel: Die Klaue des Schlichters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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Hörner klapperten. Jedes Tier war mehr als mannshoch, schwarz oder scheckig und halb blind, da ihm die Mähne über die rollenden Augen wirr ins Gesicht hing. Morwennas Vater war, wie mir einfiel, Fuhrknecht; vielleicht war es seine Herde, obwohl ich das nicht für wahrscheinlich hielt. Ich wartete bis das letzte plumpe Tier vorüber war, und beobachtete die nachfolgenden Reiter. Es waren ihrer drei, staubige, gemeine Männer mit Stachelstöcken, die länger waren als sie selbst, umringt von ihren scharfen, wachsamen Kötern.
    Wieder im Gasthaus, bestellte ich mein Morgenmahl und erhielt ofenwarmes Brot, frisch geschlagene Butter, eingelegte Enteneier und gepfefferten, schaumigen Kakao. (Letzterer ein sicheres Zeichen dafür, daß ich unter Leuten war, deren Gebräuche sich vom Norden ableiteten, obschon ich’s damals noch nicht wußte.) Der haarlose Zwerg von einem Wirt, der mich gewiß am Vorabend im Gespräch mit dem Alkalden gesehen hatte, schwirrte, sich die Nase am Ärmel abwischend, um meinen Tisch und erkundigte sich jedesmal, wenn etwas aufgetischt wurde, ob es mir schmecke – es mundete offengestanden vorzüglich –, wobei er mir für den Mittag ein noch besseres Essen versprach und die Köchin, seine Frau, verfluchte. Er nannte mich Sieur, nicht weil er mich für einen inkognito reisenden Beglückten hielt, wie man in Nessus zuweilen geglaubt hatte, sondern weil ein Folterer hier als wirksamer Arm des Gesetzes ein großer Mann war. Wie die meisten Bauern konnte er sich keine soziale Klasse vorstellen, die um mehr als eine Stufe höher als die eigene war.
    »Das Bett, war es bequem? Genügend Decken? Wir bringen noch welche.«
    Mein Mund war voll, aber ich nickte.
    »Also gut. Werden drei reichen? Ihr und der andere Sieur, habt Ihr’s bequem zusammen?«
    Ich wollte schon sagen, daß mir ein eigenes Zimmer lieber wäre (nicht daß ich Jonas für einen Dieb hielt, aber ich befürchtete, daß die Klaue für jeden eine zu große Versuchung darstellte, und war es überdies nicht gewöhnt, zu zweit zu schlafen), als mir einfiel, daß er sich eine eigene Unterkunft womöglich gar nicht leisten konnte.
    »Werdet Ihr heute dabei sein, Sieur? Wenn sie die Mauer durchbrechen? Ein Maurer könnte die Quadersteine rausreißen, aber man hat Barnoch sich drinnen bewegen gehört, und er könnte noch bei Kräften sein. Vielleicht hat er eine Waffe gefunden. Nun, er könnte dem Maurer in die Finger beißen, wenn nicht mehr!«
    »Nicht als Amtsperson. Vielleicht sehe ich zu, wenn ich kann.«
    »Alle kommen.« Der kahlköpfige Mann rieb sich die Hände, die rutschten wie geölt. »Es wird einen Jahrmarkt geben, wißt Ihr. Der Alkalde hat ihn ausgerufen. Recht geschäftstüchtig, unser Alkalde. Nehmt einen durchschnittlichen Mann – er sieht Euch in meiner Stube, aber denkt sich nichts dabei. Oder wenigstens nicht mehr, als Euch die Hinrichtung Morwennas aufzutragen. Ganz anders der unsrige! Er sieht alles. Er sieht alle Möglichkeiten. Im Nu entsprang der ganze Jahrmarkt seinem Kopf – bunte Zelte und Bänder, Bratfleisch und Zuckerwatte und alles, was dazu gehört. Heute? Nun, heute öffnen wir das versiegelte Haus und ziehen diesen Barnoch wie einen Dachs heraus. Das wird die Leute auftauen lassen, das wird sie von weither ringsum anlocken. Dann werden wir zusehen, wie Ihr mit dieser Morwenna und diesem Bauernkerl verfährt. Morgen beginnt Ihr mit Barnoch – mit heißen Eisen fangt Ihr für gewöhnlich an, nicht wahr? Und ein jeder wird dabeisein wollen. Übermorgen geht’s ihm an den Kopf, und die Zelte werden abgebrochen. Es taugt nichts, wenn sie zu lange herumhängen, nachdem sie ihr Geld ausgegeben haben; dann fangen sie nur zu betteln und zu raufen an und so weiter. Alles bestens geplant, bestens ausgedacht! Ihr könnt Euch auf den Alkalden verlassen!«
    Ich ging nach dem Frühstück wieder hinaus und beobachtete, wie die zauberhaften Ideen des Alkalden Gestalt annahmen. Bauersleute mit feilen Früchten, Tieren und selbstgewebten Tuchen stapften ins Dorf; darunter einige Autochthonen, die Pelze und zu Bündeln aufgereihte, mit der Cerbotana getötete schwarzgrüne Vögel mitführten. Nun wünschte ich mir, daß ich den von Agias Bruder gekauften Umhang noch hätte, denn mein rußschwarzer Mantel trug mir manch seltsamen Blick ein. Ich wollte mich abermals ins Gasthaus zurückziehen, als ich den Schnellschritt einer aufmarschierenden Schar hörte, einen durch die exerzierende Garnison in der Zitadelle mir

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