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Die Klaue des Schlichters

Die Klaue des Schlichters

Titel: Die Klaue des Schlichters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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versprach ihm das, obschon ich um die Sicherheit von Terminus Est, das ich in unserm Zimmer im Gasthaus versteckt hatte, viel mehr besorgt war als um mein Aussehen oder die Haltbarkeit meiner Zivilkleidung, die ich bei einem billigen Kaufmann erworben hatte.
    »Ihr und Euer Gehilfe seid gekommen, um zu erleben, wie wir den Missetäter hervorholen, nehme ich an? Wir rücken ihm auf den Pelz, sobald Mesmin und Sebald den Balken bringen. Einen Sturmbock nannten wir ihn, als wir unser Vorhaben verkünden ließen, aber es handelt sich eigentlich, fürchte ich, nur um einen Baumstamm, einen recht kleinen noch dazu – sonst müßte die Gemeinde zu viele Helfer entlohnen. Es sollte damit jedoch zu schaffen sein. Ich bezweifle, daß Euch der Fall bekannt ist, den wir hier vor dreizehn Jahren erlebt haben?«
    Jonas und ich schüttelten den Kopf.
    Der Alkalde warf sich in die Brust, wie es Politiker tun, wenn sie eine Möglichkeit sehen, mehr als nur ein paar Sätze zu sagen. »Ich erinnere mich genau, obwohl ich noch ein junges Bürschchen gewesen bin. Eine Frau. Ihren Namen weiß ich nicht mehr, aber wir haben sie Mutter Pyrexia genannt. Sie ist genauso eingemauert worden, wie Ihr es jetzt vor Euch seht, denn es ist hauptsächlich von denselben Leuten und in der gleichen Art gemacht worden. Aber es ist gegen Ende des Sommers zur Zeit der Apfelernte gewesen, denn ich weiß noch, daß die vielen Zuschauer neuen Most getrunken haben und ich einen frischen Apfel verspeist habe.
    Im nächsten Jahr, als das Korn reifte, wollte jemand das Haus kaufen. Aller Besitz fällt der Gemeinde zu, müßt Ihr wissen. Damit decken wir unsere Auslagen; die Helfer bekommen als Lohn, was sie finden können, und die Gemeinde erhält Haus und Grundstück.
    Um es kurz zu sagen, wir schnitten einen Rammbock zu und brachen mit wenigen gekonnten Stößen die Tür durch, um die Gebeine der alten Frau zu zermalmen und dem neuen Besitzer sein Eigentum zu übergeben.« Der Alkalde hielt inne und lachte, wobei er den Kopf zurückwarf. Es lag etwas Gespenstisches in diesem Lachen, was vielleicht nur davon herrührte, daß es sich mit dem Lärm der Menge vermischte und dadurch fast lautlos war.
    Ich fragte: »War sie tot?«
    »Je nachdem, was man darunter versteht. Ich sage nur –eine Frau, die lange genug im Dunkeln eingeschlossen ist, kann sich in etwas sehr Wunderliches verwandeln, ähnlich den wunderlichen Dingen, die man im tiefen Wald in morschem Holz findet. Wir in Saltus sind hauptsächlich Bergmänner und das gewöhnt, was man unter der Erde findet, aber wir haben die Beine in die Hand genommen und Fackeln geholt. Das Licht und das Feuer waren ihm zuwider.«
    Jonas tippte mich auf die Schulter und deutete auf ein Gewühl in der Menge. Eine Gruppe entschlossen dreinblickender Gesellen bahnte sich mit den Ellbogen einen Weg über die Straße. Keiner war behelmt oder in Rüstung, einige jedoch trugen schmalspitzige Lanzen und die übrigen messingbeschlagene Knüttel. Sie erinnerten mich stark an die Freiwilligen, die Drotte, Roche, Eata und mich vor so langer Zeit in die Nekropolis eingelassen hatten. Hinter diesen Bewaffneten folgten vier Männer mit dem Sturmbock, den der Alkalde angekündigt hatte, einem rohen, etwa zwei Spannen breiten und sechs Ellen langen Stamm.
    Ein allgemeines Aufatmen war ihre Begrüßung; dem schlossen sich rege Unterhaltung und freundlich zugerufene Aufmunterungen an. Der Alkalde verließ uns, um die Leitung zu übernehmen. Er ließ sich von den Männern mit den Knütteln einen Freiraum vor der Tür des verschlossenen Hauses schaffen und sorgte mit seiner Autorität dafür, daß man uns durchließ, als wir uns vordrängten, um besser sehen zu können.
    Sobald alle Brecher ihre Stellung eingenommen hätten, würde man, hatte ich geglaubt, ohne weitere Zeremonie ans Werk gehen. Hierbei hatte ich jedoch nicht mit dem Alkalden gerechnet. Im denkbar letzten Augenblick bestieg er die Treppe zum verschlossenen Haus, bat hutschwenkend um Ruhe und sprach zur Menge:
    »Willkommen, Besucher und Mitbürger! Binnen dreier Atemzüge werden wir dieses Hindernis niederreißen und den Räuber Barnoch herausziehen, ob tot oder – wie wir Grund zu glauben haben, da er nicht allzu lange eingesperrt gewesen ist – lebendig. Ihr wißt, was er getan hat. Er hat mit Vodalus’ Cultellarii kollaboriert und sie über die Ankunft und Abreise möglicher Opfer informiert! Ihr alle werdet nun denken – und zurecht! –, daß ein solch ruchloses

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