Die kleinen Freuden des Lebens
Urlaubsreisender, die sich ineinanderschieben,
hier der Teebeutel (Schwarztee mit Vanille, ich halte diesbezüglich nichts von puristischen Traditionen), der auf der Untertasse
ausläuft und immer wieder ganz erstaunliche Flecke auf meinem hellgelben Polster hinterlässt. Wie jeder vernünftige Mensch
bin ich mit einem Strauß beachtlicher Macken ausgestattet (Klaustrophobie, Höhenangst, Flugangst, die Angst, mir am Abend
vor dem wichtigsten Vorstellungsgespräch meines Lebens den Magen mit Ente bzw. »Ente« vom Asia-Bringdienst zu verderben).
Und wie jeder vernünftige Mensch neige ich zur Selbstanalyse. Aber hier bin ich wirklich ratlos. Keine Ahnung, warum mir Verkehrsnachrichten
im Radio so gut gefallen. Keine Ahnung, warum ich manchmal regel-
recht Gänsehaut kriege, aber vielleicht liegt es daran: besser hier als dort. Klar, Krieg ist schlimm, Tsunami sowieso, aber
Krieg hat meine Generation noch nicht erlebt, und auch wenn ich ungern durch eine rosarote Brille schaue, so wird wohl in
absehbarer Zeit kein Krieg zwischen Deutschland und Frankreich und England und Polen ausbrechen, und einen waschechten Tsunami
werde ich wegen meiner Flugangst wohl nie erleben, aber man weiß ja nie, ob nicht auch in der Adria mal so eine Flutwelle
entstehen kann. Nur der Stau: Der Horror ist für mich nachvollziehbar, allein schon durch meine ewige Pendelei über die Tauernautobahn
zwischen Italien und München. Einmal brauchte ich elf Stunden für die 492 Kilometer, vor allem weil es vor dem Tauerntunnel zur sogenannten Blockabfertigung kam und sich eine Kolonne von 30 Kilometern Länge aufbaute. Ein weiteres Mal steckte ich nach einem schweren Nebelunfall acht Stunden vor Venedig fest, und
als es weiterging, versagte der Motor. Glücklicherweise war ich nur Beifahrer und musste diesmal sogar schlichtend eingreifen,
vor allem, als der Fahrer mit der Faust auf die Motorhaube seines Autos einhieb.
Und auch wenn sich stundenlanger Totalstillstand keineswegs mit Bombennächten und Hungersnot vergleichen lässt, so ist das
doch in diesen einigermaßen friedvollen Zeiten ein ziemlich widerwärtiges Gefühl. Vor allem, wenn man unter allerlei Ticks
leidet, die erst im Stau voll aufblühen, als da wären: Angst vor Kontrollverlust, Angst vor dem Ausgeliefertsein, Angst vor
dem Eingesperrtsein. Und natürlich eine schwache Blase.
Tagsüber Autobahn fahren ist der Krieg unserer Generation. Und es ist immer gut, sich nicht daran zu beteiligen. Wie glücklich man es daheim im Ohrensessel hat, kann man an folgenden
Tagen vor dem Radio verfolgen: Karfreitag, Pfingstsamstag, Pfingstmontag, Ferienbeginn Nordrhein-Westfalen, Ferienbeginn Bayern,
Werksferien Volkswagen.
Menschen haben nun einmal skurrile Hobbys, und zuhause Verkehrsnachrichten zu hören ist immerhin weniger absonderlich, als
Kotztüten der Fluggesellschaften zu sammeln. Und auch weniger skurril als das Hobby jenes Australiers, der seit zwanzig Jahren
die Fusseln aus seinem Bauchnabel sammelt und schon drei Marmeladengläser gefüllt hat. Ein eigenes seltsames Hobby funktioniert
so: Man lächelt im Stillen vor sich hin, ja geradezu in sich hinein. Keiner weiß warum. Aber das Glücksgefühl ist da. Und
man muss es, was zur Abwechslung ja auch mal ganz schön ist, mit niemandem teilen.
Auf der Jagd nach der Lieblingszeitschrift erfolgreich sein
D as Gebiet, auf dem ich bevorzugt tätig bin, ist keines, womit man sich einen Kisch-Preis oder wenigstens die Unsterblichkeit
erschreiben kann, zumindest nicht in Deutschland, aber es ist nun einmal genau das, was ich gern tue. Ich habe schon Angebote
von einigermaßen bedeutenden Zeitschriften ausgeschlagen, dort in einigermaßen bedeutsamen Positionen mitzumischen. Doch ich
spiele nun mal lieber Golf, denn das gehört in meinem Fall zur Arbeit dazu, und quatsche mit den Kollegen beim Bürokaffee
über die richtigen Schläger und die passenden Bälle. Außerdem bin ich ein halbwegs begabter Schwungimitator. So vergeht dann
die Zeit bis zum Feierabend.
Ich lese alles, was über Golf geschrieben wird. In Deutschland geht das schnell, es gibt zwei seriöse Blätter, eines aus München
und eines aus Hamburg. Dann gibt es noch eine ganze Menge Kostenlos-Zeitschriften, die allerdings, vorsichtig gesagt, im Anspruch
nicht ganz hinterherkommen und unvorsichtig gesagt doch sehr oft arger Schrott sind, und wenn die Chefredakteure derUmsonst-Blätter mit dieser Aussage ein
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