Die kleinen Freuden des Lebens
Problem haben, dann sollen sie sich mit ihrer Beschwerde bitte an meinen Onkel Luca
Brasi wenden. Die besten Zeitschriften kommen jedenfalls aus England (etwa ›Today’s Golfer‹) und den USA (etwa ›Golf Magazine‹),
und in ihnen zu lesen ist ein Fest. Die Blätter haben enorme Auflagen und können sich viele schöne Reportagen leisten – Reportagen,
bei denen uns deutschen Nischenbedienern finanziell einfach die Luft ausgehen würde.
Doch diese sehr speziellen Zeitschriften sind in Deutschland kaum zu bekommen. In München findet man mit etwas Glück im »International
Press Point« am Hauptbahnhof ›Today’s Golfer‹, am Flughafen mit etwas Glück das amerikanische Pendant. Das ebenfalls von mir
sehr geschätzte schottische ›Bunkered‹ dagegen ist in Deutschland definitiv nicht erhältlich, wobei ich mich da gern von versierten
Lesern dieses Buches eines Besseren belehren lasse.
Wie dem auch sei: Nun raten Sie mal, was ich an einem verregneten, trostlosen, fußballbefreiten Samstag gern unternehme? Genau:
Ich setze mich in die S-Bahn und fahre raus zum Flughafen, von dort zum Hauptbahnhof und dann heim, zwei Zeitschriften reicher als zuvor. Zuhause habe
ich schon alles vorbereitet: Kuchen gekauft, Schwarztee mit Vanille hergerichtet, den Dimmer meines Deckenfluters auf »gemütlich«
gestellt. Dann wird konsequent und lustvoll zugleich dauergelesen. Abgesehen von der verplemperten Zeit, kostet mich der Spaß
zweimal 14 Euro sowie eine komplette Streifenkarte (10,50 Euro). Früher habe ich die Quittungen immer bei unserer Chefsekretärin eingereicht, aber inzwischen habe ich diesbezüglichein schlechtes Gewissen, weil diese Zeitschriften zwar einerseits zum Job gehören, andererseits ich aber aus der Lektüre ein
so unverschämt hohes Maß an Vergnügen ziehe, dass ich es nicht fertigbringe, mir das Geld auch noch erstatten zu lassen. Das
wäre ja, als würde man Geld dafür bekommen, in der Karibik zu überwintern.
Sich einem blöden Trend erfolgreich verweigern (am Beispiel Kochen)
D as neue Jahrtausend hat viele Vorteile, aber auch schwere Macken. Flächendeckendes Doping verleidet einem die Lust am Leistungssport,
Techno ist noch nicht so tot, dass man wirklich sicher sein kann, und Köche werden, wie einst Friseure, zu Prominenten. Im
deutschen Fernsehen gibt es ein gutes Dutzend Kochsendungen, und auch bei ›Bunte‹ und ›Gala‹ läuft inzwischen der eine oder
andere Koch über den roten Teppich. Grundsätzlich spreche ich jedem, der nicht mindestens zwei Doktortitel und wirklich etwas
zu sagen hat, jegliches Anrecht auf Prominenz ab, aber ich gebe zu, dass ich da vielleicht etwas radikal denke. Zurück an
die Töpfe: Was ist an einem Seezungenfilet »an« Balsamicojus Kunst? Handwerkliche Fertigkeit: gern. Kreativität: na ja, höchstens
eine Messerspitze. Aber gleich Kunst? Escoffier auf einer Stufe mit Dante, Mozart und Rembrandt? Paul Bocuse in einer Liga
mit Jean-Paul Sartre? Jamie Oliver und Tim Mälzer als kulturelle Vorreiter der Postpostmoderne? Nein, wirklich nicht. Ich
wüsste auch nicht, dass
in Frankreich oder Italien Köche so viel Wertschätzung erfahren wie derzeit bei uns. Ein Koch ist ein Künstler, so wie ein
Tischler ein Künstler ist, der einen wunderbaren Tisch zusammenzimmert. Beides, Tisch wie Mahl, sind großartige Errungenschaften,
aber lassen wir in Sachen gesellschaftliche Bedeutung doch mal die Kirche im Dorf. Falls es dafür noch nicht zu spät ist.
Der Koch wird zum Vorbild und Essen kochen zum integralen Bestandteil der Patchworkfamilien-Sozialisation. In der Innenarchitektur
werden Wohnküchen zu Zentren mit »Kochinseln«, um die im Idealfall die Generationen friedlich herumscharwenzeln. Auch Freunde
haben sich angekündigt. Und am Herd, betäubt lächelnd, das fedrige Huhn ausnehmend, der Gastgeber.
Ich koche nicht für Freunde. Dieser Satz könnte implizieren, dass ich nicht kochen kann oder dass ich keine Freunde haben.
Beides ist falsch. Für Freunde kochen, dieser Megatrend der letzten Jahre, bedeutet nämlich, einen faulen Kompromiss einzugehen.
Wer für Freunde kocht, wird nur eines gut können: kochen oder sich um die Freunde kümmern. Wenn man in Italien mit Freunden
gemeinsam essen will, geht man in eine Trattoria, lässt sich von hinten bis vorn bedienen und amüsiert sich bis tief in die
Nacht. Niemand muss alle fünf Minuten hektisch aufspringen und zum Ofen rennen, niemand muss
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