Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
seinem vierzehnten (und vorletzten) Automobil, dem Lancia Trikappa, eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h. Im selben Jahr hat er die Möglichkeit, einen Passagierflug von Wien nach Budapest mitzumachen, aber der ihn begleitende Tonio zeigt »keine Lust«.
In den letzten Jahren wird das Ehepaar Puccini einander wieder vertraut, die Stürme ebben ab. Doch leidet Giacomo zunehmend unter Halsschmerzen. Im Oktober 1924 wird, viel zu spät (er hat Jahre zuvor, als ihm ein Entenknochen im Hals steckenblieb, auf den Rat eines Ingolstädter Arztes nicht gehört), Krebs diagnostiziert. Er unternimmt, mit gemäßigter Hoffnung, die Reise nach Brüssel, ans Institut des Professors Ledoux, begleitet von Tonio, Fosca, Carla Toscanini und zwei engen Freunden. Elvira, die an einer Grippe leidet, bleibt in Viareggio zurück, in der neuen Villa, die Puccini beziehen mußte, weil gegenüber seinem geliebten Domizil in Torre eine stinkende Zementfabrik gebaut worden war.
Die Operation, im wesentlichen eine Bestrahlung des Kehlkopftumors mit Radium, gilt als Erfolg. In ersten Telegrammen wird die bevorstehende vollständige Heilung des Meisters verkündet. Dann aber erleidet sein geschwächter Körper einen Schlaganfall, auf dem vorletzten Schmierzettel bittet er, der nicht mehr sprechen kann, um un po’ di aqua fresca , auf den letzten kritzelt er: Elvira – povera donna. É finita . Und stirbt um halb zwölf Uhr mittags, am 29. November 1924.
Die italienischen Tageszeitungen reservieren die vier ersten Seiten für die näheren Umstände seines Hinscheidens und die Würdigung des Toten. Beinahe sämtliche Opernhäuser der Welt schließen an jenem Abend. In der New Yorker Met spielt man anderntags Chopins Trauermarsch in der Orchesterfassung, bevor La Bohème gegeben wird. Im Mailänder Dom findet, im Licht von achttausend Kerzen, ein Trauergottesdienst statt, der eines Königs würdig wäre. Über hunderttausend Menschen folgen dem Trauerzug. Zwei Jahre später wird der Leichnam vom Mailänder Friedhof nach Torre del Lago überführt und in der Villa, in einer Art Mausoleum hinter seinem Klavier, zur letzten Ruhe gebettet.
Elvira überlebt ihren Mann um sechs Jahre.
1926 findet die Uraufführung der Turandot statt, in der Mailänder Scala, mit dem nach den 36 Skizzenblättern ergänzten, oft zu Unrecht kritisierten Finale von Franco Alfano, das leider fast immer nur in der von Toscanini verstümmelten Fassung gegeben wird. Am Premierenabend jedoch beendet Toscanini die Aufführung bereits nach dem Tod der treuen Sklavin Liu, in deren Figur viele Biographen ein Denkmal für Doria Manfredi erkennen, mit den Worten: »Hier endet die Musik, denn an dieser Stelle ist der Maestro gestorben.«
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