Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
tätig: Enrico Ferri und Salvatore Barzilai sowie, vor Ort, die Herren Burresi und Attalla. Genaugenommen sind Ferri und Barzilai vor kurzem ihres Mandats enthoben worden, wissen davon aber offiziell nichts, und Burresi und Attalla haben es in der kurzen Vorbereitungszeit noch nicht geschafft, sich aneinander zu gewöhnen. Carlo Nasi, der erfahrene Staranwalt aus Turin, ist zuvor von Elvira vom Verfahren ausgeschlossen worden, weil sie ihm, als einem Freund ihres Gatten, nicht trauen könne. Immerhin befolgt sie, aus Stolz und Bequemlichkeit, Carlo Nasis Ratschlag, beim Prozeß abwesend zu sein. Der hatte seine Empfehlung damit begründet, ihre arrogante Haltung könne kontraproduktiv wirken.
Der Richter ( hämmert Ruhe herbei ): Verhandelt wird der Fall Manfredi gegen Bonturi-Puccini. Elvira Bonturi-Puccini ist angeklagt der groben Beleidigung, der öffentlichen Verleumdung und Ehrabschneidung zum Nachteil der Doria Manfredi, verstorben am 28. Januar dieses Jahres durch eigene Hand. Bekennt die Angeklagte sich schuldig?
Verteidiger: Die Beklagte erklärt sich der Beleidigung schuldig, in den anderen Anklagepunkten unschuldig, Euer Ehren.
Die Anwälte behaupten, Elvira Puccini könne sich nicht an eine konkrete Verleumdung erinnern. Zudem existierten Beweise, die die Beklagte entlasten würden, man wolle diese später präsentieren. (ANM. 4)
Also werden zuerst die Beweise der Anklage vorgelegt.
Diese sind: Ein mit letzter Kraft gekritzelter Totenbettbrief Dorias, auf dem sie ihre Unschuld beschwört (mit vielen orthographischen und grammatischen Fehlern, wie der Richter zu erwähnen für nötig hält). Das medizinische Gutachten des Dr. Rodolfo Giacchi. Eine lange Erklärung der Mutter Emilia Cinti. Eine charakterliche Beurteilung durch die Schule, die Doria besucht hat. Briefe von Giacomo Puccini an Doria und deren Mutter. Außerdem Aussagen von Freunden und Verwandten.
Erste Zeugen werden gehört, einige vereidigt. Giulia und Angiolina Manfredi sagen zu Dorias Gunsten aus. Belastungszeugen eines entfernteren Zweigs der Familie sind Domestico Manfredi und Egisto Manfredi sowie die als neutral geltende Nachbarin Giuseppina Tofanelli. Selbst nicht anwesend ist der Mechaniker und Chauffeur Silvio Peluffo, der schriftlich erklären läßt, Elvira habe ihn über ein bestehendes Verhältnis Dorias zu GP eindringlich befragt, er habe aber keine Auskunft geben können.
Der Richter gibt das Wort der Verteidigung.
Wir haben nun die Zeugenaussagen alle gehört, denen an Eindeutigkeit nichts mangelt. Hat die Partei der Beklagten hierzu noch etwas anzumerken? Ansonsten sollen jetzt ihre Beweise vorgetragen werden.
Gerufen wird die Elvira Bonturi-Puccini, Tochter des verstorbenen Amedeo Bonturi und der Maria Torre. Angeklagt laut Anzeige vom 1. Februar 1909 und Anklageerhebung vom 22. April 1909.
Der Verteidiger Burresi meldet sich und gibt zu Protokoll, daß seine Mandantin, die sich entschlossen hat, dem Verfahren fernzubleiben, ihn um Verlesung folgenden Briefes gebeten habe. Die Reporter auf den Zuschauerrängen spitzen die Ohren. Ist es der Moment der Wahrheit? Wenigstens wird es endlich spannend.
Burresi räuspert sich, wirkt unsicher. Attalla macht von seinem Recht Gebrauch, seinen Kollegen zu kritisieren bzw. dessen Entscheidung, den Brief Elviras vorzulesen. Es wird immer spannender. Der Richter glaubt, sich verhört zu haben.
Wie bitte? Habe ich recht verstanden? Sie mißbilligen die Verlesung des Briefes Ihrer Mandantin durch Ihren Kollegen?
Genau das. Zu den Gründen wolle er sich momentan nicht äußern, man werde sehen.
Die Reporter drehen fast durch – die Spannung ist unerträglich geworden. Schlagzeilen werden vorbereitet. Der Richter fragt, ob er vielleicht den Saal räumen lassen solle, ob der Brief Obszönes oder Sittenwidriges enthalte?
Das nun direkt nicht, antwortet Burresi, mit einem strafenden Seitenblick auf Attalla.
Dann solle er ihn endlich vorlesen.
Burresi räuspert sich erneut.
Sehr verehrtes Gericht. Durch die eingestandene Schenkung von 50 Lire an Doria Manfredi stellt sich das Verhältnis meines Mannes zu jener Person in eindeutigem Licht dar. Mein Gatte ist von Natur her ein sparsamer, man kann sagen: knausriger Mensch. Wenn ein Mann, der seinem Anlageberater monatlich 45 Lire bezahlt, hingegen im Februar immer nur 42 Lire – weil der Februar weniger Tage hat – wenn dieser Giacomo Puccini also einem Mädchen ohne triftigen Grund 50 Lire nachwirft, muß er derjenigen
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