Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
selben Tag, dem 19. Januar, aber zu anderer Stunde, sagte Sig. Bonturi, die sich einigen Frauen genähert hatte, die am See arbeiteten, auf Doria Manfredi anspielend: »Habt ihr sie gesehen, diese kleine Hure, sie kommt meinen Mann besuchen, und früher oder später werde ich sie im See ertränken.« Die Zeugin Manfredi Angiolina, die diese Worte berichtet, hat hinzugefügt, daß sie, als sie die Bonturi gefragt hat, ob sie kurz zuvor das Mädchen derart beschimpft habe, folgende Antwort bekam: »Ich habe sie noch viel Schlimmeres genannt.«
Auch am Tag des 1. Januar bedrohte die Angeklagte Doria Manfredi, indem sie ihr sagte: »Ich werde dich übel zurichten.« Am 23. Januar ließ Sig. Bonturi nach der Zeugin Manfredi Giulia schicken, der sie vorwarf, sie würde die Kupplerin für Doria und ihren Mann spielen. Die Zeugin protestierte, und so insistierte Sig. Bonturi, indem sie sagte: »Aber mein Mann hat es zugegeben, bevor er abgereist ist.« Nachdem sie darauf aufmerksam gemacht wurde, daß das nicht wahr sein könne, gab Sig. Puccini dann doch zu, daß nicht ihr Mann ihr diese Dinge gesagt, sondern daß sie sie von irgendwelchen Leuten erfahren habe.
Sig. Bonturi beendete das Gespräch mit dem Satz: »Wie auch immer, Doria wird nicht mehr an den See kommen.« Dieses Gespräch fand um 9 Uhr statt. Um 11 Uhr des gleichen Tages vergiftete sich Doria Manfredi. An einem anderen, nicht genauer präzisierten Tag sprach Sig. Bonturi mit dem Zeugen Manfredi Egisto, dem sie sagte, sie habe Doria mit ihrem Mann gesehen. All diese Tatsachen haben ihre feierliche Bestätigung in der Verhandlung gefunden und liefern Beweismaterial, das mehr als ausreichend für die Feststellung der Vollendung von Vergehen der Verleumdung, der Beleidigung und der Bedrohung ist. Sig. Bonturi hat wissentlich zu Lasten von Doria Manfredi die Tatsache verbreitet, daß jene intime Beziehungen zu ihrem Gatten Giacomo Puccini unterhalte. Seien dies explizite Gespräche wie jene vom 1. und 19. Januar, bei denen Domenico Manfredi, Giulia und Angiolina Manfredi und andere Frauen, in der Absicht, am See zu arbeiten, anwesend waren, seien dies Anspielungen oder unbesonnene Befragungen, wie jene an den Mechaniker Peluffo und an Manfredi Egisto, seien es direkte Anschuldigungen, die Doria Manfredi und ihrer Mutter gemacht wurden. Es ist sicher, daß die Angeklagte die Verbreitung der Schmähreden anstrebte, da sie überzeugt war, daß derartige Reden ihr Hausmädchen der öffentlichen Mißachtung aussetzen und ihre Ehre beleidigen würden. Mit dieser bewußten Verbreitung der angeblich intimen Beziehungen zwischen Frau Manfredi und dem Maestro Puccini, die Sig. Bonturi begangen hat, in der offensichtlichen Absicht, die Ehre Frau Manfredis zu verletzen, liegt genügend Beweismaterial vor, um die Absicht eines Verleumdungsvergehens als bewiesen anzusehen.
Um die Tat der Angeklagten milder zu beurteilen, kann man auch nicht das Gefühl der Eifersucht heranziehen, von dem sie vielleicht geleitet war. Denn selbst wenn man ein Gefühl der Eifersucht voraussetzt, rechtfertigt dies nicht den gewaltsamen Anschlag auf das Gut der Ehre eines anderen. Ihre Absicht der Verleumdung wurde im schriftlichen Verhör noch klarer. Angesichts des Einwandes des Amtsrichters, der sie darauf aufmerksam machte, daß der Arzt die Jungfräulichkeit Sig. Manfredis unversehrt vorgefunden hatte, äußerte Frau Bonturi, anstatt ihre Reden zu bereuen, die sie nicht ausschloß, gemacht zu haben, den Vorschlag, den Gehalt ihrer Anschuldigungen beweisen zu wollen. Dieses Verhalten verdeutlicht einmal mehr den animus diffamandi , enthüllt die Hartnäckigkeit Sig. Bonturis, die unbegründeten Anschuldigungen zu wiederholen, um Sig. Manfredi weiterhin zu verleumden, auch nach deren Tod.
Solch eine Beständigkeit verdient keine Strafmilderung und regt das Kollegium an, Sig. Bonturi jegliche Rechtswohltat zu verweigern, auch die Verurteilung auf Bewährung.
Was die anderen beiden Vergehen betrifft, das der Beleidigung und der Drohung, sind auch diese in aller Schwere bewiesen. Die Sätze »Nutte, Dreck, Hure, ich ertränke sie im See, ich richte dich übel zu« stellen ein für beide Tatbestände ausreichendes Beweismaterial dar. Die Absicht der Beleidigung wird durch die Bedeutung der Worte, durch das von Sig. Bonturi an den Tag gelegte Verhalten, den Groll, den sie gegen Frau Manfredi hegte, und in dem Vorschlag, sie vom Dorf fernzuhalten, klar und offensichtlich. Letzteres wird
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