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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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verfallen gewesen sein, das ist logisch.
    Der Richter unterbricht, fühlt sich veralbert. Wo die angekündigten Beweise seien?
    Das seien doch Beweise, meint Burresi, jedenfalls schwere Indizien. Attalla betrachtet unterdessen aufmerksam den Fußboden.
    Burresi liest auch noch den Rest vor.
    Im Übrigen sei darauf hingewiesen, daß jene Person, Doria Manfredi, durch ihre Verstorbenheit einen Sympathiebonus genießt, der einen natürlichen, wenn auch unlauteren Vorteil gegenüber noch Lebenden einschließt. Weswegen sich Elvira Puccini entschlossen habe, dem Prozeß ebenfalls physisch fernzubleiben.
    Ein Moment beklommener, fast amüsierter Stille.
    Der Richter, völlig enerviert, glaubt sich verspottet, will nur noch den Saal verlassen und unterbricht die Verhandlung für fünfzehn Minuten.
    Die Beweisaufnahme geht weiter mit einer ebenso unbarmherzigen wie ungeschickten Beschuldigung der toten Doria. Nur weil sie noch Jungfrau gewesen sei, bedeute das ja nicht, daß sie auf keinerlei Weise mit dem Maestro sexuell verkehrt haben könne, führen Elviras Anwälte ins Feld. Der Richter erteilt ihnen eine herbe Rüge, weil sie in Anwesenheit der Hinterbliebenen derlei wilde Spekulationen ausbreiten, ohne auch nur das geringste Indiz dafür zu haben. Da die Signora Elvira sich nicht einmal herbequemt habe, um, was sie da so behaupte, mit einem Eid halbwegs glaubhaft zu stützen, werde die Beweisaufnahme beendet.
    Urteilsspruch
    Die beklagte Elvira Bonturi-Puccini, Tochter des verstorbenen Amadeo Bonturi und der Torre Maria, geboren am 13. Juni 1860 in Lucca, wohnhaft in Torre del Lago, abwesend, beschuldigt,
    A. der Vergehen nach Paragraph 393 und 19 p.p., nämlich in Torre del Lago im Dezember 1908 und an den Tagen 1/19/23 des Januar 1909 die Ehre des Fräuleins Doria Manfredi, zuvor ihre Angestellte, verletzt zu haben, mit der Behauptung, diese sei die Gespielin ihres Gatten gewesen.
    B. des Vergehens nach § 395 – in der Öffentlichkeit die Würde der Manfredi beleidigt zu haben, durch Schimpfworte wie troia puttana sudiciume pettegola und ähnliche, weit schlimmere.
    C. des Vergehens nach § 252, am 19. Januar 1909 der genannten Manfredi aufs Schwerste Gewalt angedroht zu haben, insbesondere, sie im See ertränken zu wollen.
    Am 1. Februar 1909 hat Emilia Cinti, Witwe des verstorbenen Riccardo Manfredi, in ihrer Eigenschaft als Mutter von Doria Manfredi, die sich am 23. Januar 1909 vergiftet hat, beim Prätor von Viareggio Klage gegen Elvira Bonturi, verheiratete Puccini, eingereicht.
    Die Cinti hat dargelegt, daß ihre Tochter, welche sechs Jahre zuvor in den Haushalt Puccini eingetreten war, dem Maestro sorgfältige Pflege zukommen ließ, insbesondere nach dem Autounfall, dessen Opfer der Maestro gewesen war. Von daher resultierte ein Gefühl der lebhaften Dankbarkeit, das der Maestro der Doria Manfredi stets gezeigt hat. Die angeklagte Gattin des Maestro habe das wahre Wesen jener Dankbarkeit mißverstanden, um einen Krieg gegen die Manfredi zu beginnen, auf der Grundlage ehrabschneidender und ungerechter Vorwürfe. Erste Konsequenz dieser Anschwärzungskampagne war eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Manfredi.
    Auf den Kräfteverfall hin verließ sie, sicher nicht spontan, das Haus Puccini, und darum herum entstanden üble Phantasien, die den entlegensten Legenden den Anschein von Wahrheit verliehen. Überwältigt und geschwächt von dieser Welle der Verleumdung hat sich die Manfredi am 23. Januar 1909 mit drei Pastillen Sublimat vergiftet. Ihrem Wunsch gemäß, den sie wenige Augenblicke vor ihrem Tod geäußert hat, untersuchte der Arzt und Chirurg Dr. Giacchi den Genitalbereich der Leiche und stellte deren vollkommene jungfräuliche Unversehrtheit fest.
    Zu den Details der Tatbestände:
    Am 1. Januar 1909 herrschte Sig. Bonturi die Manfredi an, als diese in Begleitung ihrer Cousine Giulia war, und sagte: »Klatschmaul, Drecksau, ich habe tolle Briefe, die du meinem Mann geschrieben hast«. Bei dieser Beschimpfung war auch der Zeuge Manfredi Domenico anwesend. Am 19. Januar kam Doria Manfredi, an der Straße, die am Massaciuccoli-See entlang verläuft, Sig. Elvira Bonturi entgegen, die, kaum, daß sie sie gesehen hatte, die Hände in die Hüften stemmte und Doria mit den Worten anfuhr: »Was für eine Hure! Was für eine Nutte!« Die Manfredi erblaßte, aber antwortete nicht und ging weiter die Straße entlang, ohne sich umzudrehen (Zeugenaussage Tofanelli Giuseppina). Am

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