Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
sogar verschlimmert durch die Drohung, das Mädchen früher oder später im See ertränken zu wollen.
Jedesmal beging Frau Bonturi das Vergehen der Verleumdung, da sie diese Reden in der Anwesenheit mehrerer Personen hielt.
Was die Strafe für die Tat der Verleumdung betrifft, hält es das Kollegium für richtig, von der Grundlage von vier Monaten Gefängnis und einer Strafe von 300 Lire auszugehen, die wegen der Dauerstraftat um ein Sechstel erhöht wird. Für das Vergehen der Drohung hält es das Kollegium angesichts der Schwere der Tat für angemessen, als Strafe einen Monat Gefängnis zu verhängen. Für die Beleidigungen sieht es das Kollegium als richtig an, eine Strafe von 300 Lire Geldstrafe zu verhängen, die wegen der Dauerstraftat um ein Sechstel erhöht wird. Das Gericht erklärt Bonturi Elvira, verheiratete Puccini, der ihr vorgeworfenen Vergehen für schuldig und verurteilt sie zu einer Gesamtstrafe von fünf Monaten und fünf Tagen Gefängnis, zu einer Geldstrafe von 700 Lire, zur Erstattung der Schäden gegenüber dem Zivilkläger, die an gesonderter Stelle beglichen werden müssen, und zur Erstattung der Prozeßkosten.
Gegen das Urteil kann binnen dreier Wochen Berufung eingelegt werden.
Pisa, 6. Juli 1909
Es ist eine unerwartet harte Strafe. Die Reporter sind zufrieden, sie haben, wenn auch keine Sensation, so doch eine ganz brauchbare Schlagzeile.
Elviras zerstrittene Anwälte gehen einige Tage später in Berufung, schon um Zeit für die Erarbeitung einer neuen Strategie zu gewinnen. Die Appellationsverhandlung wird auf den 21. Juli festgesetzt.
Elvira an GP , 8. Juli 1909 aus Mailand:
Ich schreibe Dir und liege im Bett. Ich fühle mich nicht gut,
in meinem Kopf schwappt es hin und her, als wäre er voll Wasser. Dieser letzte Schlag hat mich niedergestreckt, und sicher werde ich mich nicht leicht davon erholen. Alle haben mich verurteilt (…).
Und was soll ich jetzt tun? Berufung einlegen? Wie soll ich mich verteidigen? Die Wahrheit sagen? Aber Du weißt, daß das jetzt erst recht unmöglich ist, ohne vor allem Dir zu schaden. Was wird die Welt denken? Daß Du es zuläßt, daß Deine Frau verurteilt wird? Und soll ich vielleicht ins Gefängnis gehen? Das kannst Du doch nicht wollen, hoffe ich. Meinen Anwälten muß ich Unfähigkeit vorwerfen, zugleich bestehe ich darauf, daß die Manfredis keinen Centesimo bekommen; vielmehr muß die Öffentlichkeit erfahren, daß sie versucht haben, Dich zu erpressen.
Sie zeigt sich unbeugsam und stur, doch nachdem sie zwei Tage über ihre Situation nachgedacht hat, lenkt sie schließlich ein.
Elvira an GP , 10. Juli 1909
Gut, ich will mit Dir über diese Angelegenheit nicht mehr reden. Ich erwarte auch kein Schuldbekenntnis mehr von Dir und zweifle auch nicht mehr an Deinen Worten. Ich wünschte nur, ich hätte genug Mut, mich aus dem Fenster zu stürzen.
GP interveniert erneut – und diesmal erfolgreich. Er zahlt der Familie Manfredi eine gewisse Summe, die Rede ist von 12.000 Lire, damit diese die Anklage zurückzieht. Was sie prompt tut. Dorias Ehre ist dank der Verurteilung Elviras wiederhergestellt. Damit kann man zufrieden sein und das – dringend benötigte – Geld akzeptieren. Von seiten der Justiz besteht daraufhin kein Interesse, das Verfahren aufrechtzuerhalten; die Sache wird zu den Akten gelegt. Elvira bleibt eine freie Frau.
Später wird Emilia Cinti-Manfredi steif und fest behaupten, sie habe von GP keine einzige Lira bekommen, habe stets in großer Armut gelebt, was alle, die sie kennen, bestätigen könnten. Elviras Verurteilung sei ihr Satisfaktion genug gewesen. Die Wahrheit findet sich vielleicht in der Mitte. Dorias Neffen, Eduardo und Emilio, die 1999 noch leben, halten für wahrscheinlich, daß die Zahlung sieben- bis achttausend Lire betrug, wovon die Anwälte und Dorias Grabstein bezahlt wurden. Einen Teil des Geldes soll Dolfino bekommen haben, um es irgendwo weit weg von Torre zu vergeuden. Er habe das Angebot gerne angenommen, um Elvira nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Daher habe Emilia Cinti schon recht gehabt, sie selbst habe vom Geld wohl nichts bekommen.
10
Zwischen Elvira und Giacomo kommt es zur Versöhnung. Sie gleicht in ihrer steifen Zweckgebundenheit einer Hochzeitsnacht zwischen einander Zugelosten. Zwei Menschen begegnen sich, die so vieles vor sich hin schweigen müssen. Vereinbart wird, daß alles Vorgefallene vergangen sei, keiner Erwähnung mehr würdig.
Ende Juli 1909 fahren Giacomo,
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