Die Kleptomanin
lassen.«
»Das habe ich nicht gewusst. Wie nennt er sich jetzt?«
»Dazu kommen wir noch. Bevor es soweit ist, lassen Sie mich einmal etwas annehmen. Wenn ich Recht habe, können Sie das vielleicht zugeben. Ich glaube, dass Arthur Stanley Ihnen einen versiegelten Brief hinterlassen hat, der nur unter gewissen Umständen oder aber nach seinem Tod geöffnet werden durfte.«
»Ich muss schon sagen, Poirot! Im Mittelalter hätte man einen wie Sie ganz sicher auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Wie um alles in der Welt können Sie davon wissen?«
»Ich habe also Recht? – Ich denke, Ihre Instruktionen bezüglich dieses Briefes sahen zwei Möglichkeiten vor. Sein Inhalt war entweder zu vernichten – oder sie sollten bestimmte Maßnahmen ergreifen.« Er hielt inne. »Bon dieu!«, sagte Poirot mit plötzlichem Schreck. »Sie haben ihn doch nicht etwa vernichtet…«
Er war erleichtert, als Mr Endicott langsam verneinend den Kopf schüttelte.
»Wir handeln niemals überstürzt«, sagte Endicott. »Ich muss erst umfangreiche Nachforschungen anstellen – um ganz sicher gehen zu können…« Er hielt inne. »Diese Angelegenheit«, sagte er ernst, »ist streng vertraulich. Selbst Ihnen gegenüber, Poirot…« Er schüttelte den Kopf.
»Und wenn ich Ihnen nun einen guten Grund nenne, warum Sie dennoch darüber sprechen sollten?«
»Es liegt an Ihnen, mich zu überzeugen. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, wie Sie Kenntnis von all den Dingen bekommen haben könnten, die in der Angelegenheit, über die wir hier sprechen, von Bedeutung sind.«
»Ich weiß nichts – also muss ich raten. Und wenn ich richtig rate…«
Mr Endicott winkte ab. »Höchst unwahrscheinlich.«
Poirot holte tief Luft. »Nun gut. Meiner Meinung nach lauten Ihre Anweisungen folgendermaßen: Im Falle von Sir Arthurs Ableben sollen Sie seinen Sohn Nigel aufspüren, feststellen, wo er lebt und wie er lebt, und insbesondere, ob er in irgendwelche kriminellen Machenschaften verwickelt ist oder war.«
Diesmal war Mr Endicotts undurchdringliche juristische Ruhe wirklich erschüttert. Er rief etwas aus, was wenige je von seinen Lippen gehört hatten: »Ich gebe mich geschlagen. Da sie in vollem Besitz der Fakten sind, werde ich Ihnen alles sagen, was Sie wissen möchten. Ich vermute, Sie sind Nigel im Rahmen Ihrer beruflichen Aktivitäten begegnet. Was ist denn aus dem jungen Teufel geworden?«
»Ich denke, die Geschichte ist folgendermaßen: Nachdem er von zu Hause weggegangen war, hat er seinen Namen geändert und jedem erzählt, der sich dafür interessierte, dass das eine der Bedingungen für eine Erbschaft gewesen sei. Dann hat er sich einigen Leuten angeschlossen, die einen Schmuggelring betrieben – Drogen und Juwelen. Ich denke, es war im Wesentlichen sein Verdienst, dass die Bande in ihrer jetzigen Form durchorganisiert wurde – eine sehr clevere Form, wobei unschuldige bona fide-Studenten als Schmuggler ausgenutzt wurden. Die ganze Organisation wurde von zwei Leuten gesteuert, Nigel Chapman, wie er sich jetzt nannte, und einer jungen Frau namens Valerie Hobhouse, die ihn meiner Meinung nach ursprünglich in die Schmuggelei eingeführt hat. Es war ein kleines privates Unternehmen, und sie haben auf Kommissionsbasis gearbeitet – aber es war enorm profitabel. Das Schmuggelgut musste klein sein, aber Edelsteine und Narkotika im Werte von vielen tausend Pfund lassen sich ja auf kleinstem Raum transportieren. Alles ging gut, bis eines Tages etwas Unvorhergesehenes passierte. Ein Polizist tauchte in dem Studentenwohnheim auf, in dem Nigel lebte, um Nachforschungen im Zusammenhang mit einem Mord in der Nähe von Cambridge anzustellen. Ich denke, Sie können sich vorstellen, warum dieser Besuch Nigel in Panik versetzt hat. Er dachte, die Polizei wäre hinter ihm her. Er entfernte eine Reihe von Glühbirnen, so dass die Beleuchtung stark abgedunkelt war und man ihn nicht erkennen konnte, und außerdem nahm er einen bestimmten Rucksack in Panik mit in den Hinterhof, hackte ihn in Stücke und warf die hinter den Heizkessel, weil er befürchteten musste, dass noch Spuren von Drogen im falschen Boden nachweisbar wären.
Seine Panik war völlig unbegründet. Die Polizei war nur gekommen, um einen ganz anderen Studenten zu vernehmen. Aber eines der Mädchen, das in dem Heim wohnte, hat offenbar im falschen Moment aus dem Fenster geschaut und gesehen, wie er den Rucksack zerhackte. Das war noch nicht direkt ihr Todesurteil. Stattdessen wurde
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