Die Kleptomanin
»Ausgegeben vom Außenministerium Ihrer Majestät, Gott schütze sie.«
McCrae beugte sich interessiert vor, als Cobb die Pässe öffnete und die Fotografien verglich. »Man sollte kaum glauben, dass das alles dieselbe Frau ist, oder?«, sagte er.
Die Pässe waren ausgestellt auf Mrs da Silva, Miss Irene French, Mrs Olga Kohn, Miss Nina Le Mesurier, Mrs Gladys Thomas und Miss Moira O’Neele. Sie stellten eine dunkelhaarige junge Frau dar, deren Alter zwischen fünfundzwanzig und vierzig variierte.
»Es ist jeweils die Frisur, die den Unterschied macht«, sagte Cobb. »Pompadour, Locken, gerader Schnitt, Pagenschnitt und so weiter. Sie hat irgendetwas mit ihrer Nase angestellt für Olga Kohn, und sie macht Pausbäckchen für Mrs Thomas. Hier sind noch zwei weitere – ausländische Pässe – Madame Mahmoudi, Algerien, und Sheila Donovan, Irland. Ich nehme an, sie hat Bankkonten unter all diesen Namen.«
»Ziemlich kompliziert, was?«
»Es muss so kompliziert sein, mein Lieber. Das Finanzamt schnüffelt überall herum und stellt peinliche Fragen. Es ist nicht so schwer, mit der Schmuggelei einen Haufen Geld zu verdienen – aber es ist extrem schwierig, über diese Einnahmen am Ende Rechenschaft abzulegen! Das Geld muss gewaschen werden. Ich vermute, die Lady hat diesen kleinen Spielclub in Mayfair extra für diesen Zweck ins Leben gerufen. Geld beim Spiel zu gewinnen ist so ziemlich die einzige Möglichkeit, die das Finanzamt nicht überprüfen kann. Ein guter Teil der Beute, nehme ich an, wird auf Banken in Algerien und Frankreich und Irland liegen. Die ganze Geschichte ist gut durchdacht und geschäftsmäßig ausgeführt. Und dann muss sie ausgerechnet einen dieser falschen Pässe in der Hickory Road herumliegen lassen, und die arme kleine Celia sieht ihn.«
Zwanzigstes Kapitel
» D as war eine clevere Idee von Miss Hobhouse«, sagte Inspektor Sharpe. Seine Stimme klang nachsichtig, beinahe väterlich.
Er ließ die Pässe von einer Hand in die andere gleiten, beinahe so, wie man Karten mischt.
»Komplizierte Sache, diese Finanzen«, sagte er. »Wir hatten ganz schön zu tun, von einer Bank zur anderen zu rennen. Sie hat ihre Spuren gut verwischt – ihre finanziellen Spuren, meine ich. Ich würde schätzen, in einigen Jahren hätte sie sich abgesetzt, wäre ins Ausland gegangen und hätte dort von ihren illegalen Einkünften herrlich und in Freuden gelebt, wie man so schön sagt. Es war ganz einfach – Import von Rohdiamanten, Saphiren und so weiter auf der einen Seite – Export von Diebesgut auf der anderen Seite – und dann noch Drogen als Nebenverdienst. Verdammt gut durchorganisiert. Sie ist sowohl unter ihrem eigenen als auch unter falschen Namen ins Ausland gefahren, aber nie zu oft, und die Schmuggelei haben immer andere, völlig ahnungslose Leute übernommen. Ja, das war eine clevere Idee. Und wir haben es Monsieur Poirot hier zu verdanken, dass er uns auf die Spur gebracht hat. – Es war auch schlau, der armen kleinen Miss Austin den psychologischen Trick mit den Diebstählen zu suggerieren. Sie haben das beinahe von Anfang an durchschaut, nicht wahr, Monsieur Poirot?«
Poirot lächelte überlegen, während Mrs Hubbard ihn bewundernd ansah. Die Unterhaltung war strikt inoffiziell und fand in Mrs Hubbards Wohnzimmer statt.
»Habgier war ihr Verderben«, sagte Poirot. »Der schöne Diamant in Patricia Lanes Ring hat sie in Versuchung geführt. Das war dumm von ihr, weil es sofort darauf hinwies, dass sie sich im Umgang mit Edelsteinen auskannte – ihre Fähigkeit, den Diamanten herauszunehmen und ihn durch einen Zirkon zu ersetzen! Ja, das hat natürlich dazu geführt, dass ich mir über Valerie Hobhouse meine Gedanken gemacht habe. Sie war allerdings sehr clever. Als ich ihr auf den Kopf zugesagt habe, dass sie Celia inspiriert hatte, hat sie das gleich zugegeben und es mir in durch und durch mitfühlender Weise erklärt.«
»Aber Mord!«, sagte Mrs Hubbard. »Kaltblütiger Mord. Ich kann das noch immer nicht ganz glauben.«
Inspektor Sharpe sah sie düster an.
»Wir sind noch nicht in der Lage, ihr den Mord an Celia Austin nachzuweisen«, sagte er. »Wir haben sie bei der Schmuggelei natürlich in flagranti erwischt. Da gibt es keine Probleme. Aber die Mordanklage ist etwas problematischer. Der Staatsanwalt sieht da noch keine Möglichkeit. Sie hatte natürlich ein Motiv, und sie hatte die Gelegenheit. Sie wusste wahrscheinlich alles über die Wette und dass Nigel das Morphium in
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