Die Kleptomanin
Frau hat mich in meinem Entschluss wankend gemacht. Würde sie gewollt haben, dass ich über ihn richte? Ich glaubte, ich wüsste die Antwort – sie würde gewollt haben, dass ich ihren Sohn vor dem Schafott bewahre. Sie würde davor zurückgeschreckt sein, wie auch ich davor zurückschreckte, unseren Namen in den Schmutz zu ziehen. Aber es gab auch eine andere Überlegung: Ich glaube fest daran, dass jemand, der einmal ein Mörder ist, immer wieder mordet. Es könnte in Zukunft weitere Opfer geben. Deshalb h a be ich mit meinem Sohn einen Handel abgeschlossen, und ob das richtig oder falsch war, vermag ich nicht zu beurteilen. Er musste ein Geständnis seiner Tat unterschreiben, das ich aufbewahren würde. Er musste mein Haus verlassen und durfte niemals z u rückkehren, sondern sollte in Zukunft selbst für sich sorgen. Ich würde ihm noch eine Chance geben. Das Geld aus dem Erbteil seiner Mutter würde ihm automatisch zufallen. Er hatte eine gute Ausbildung. Er hatte alle Aussichten, seinen Weg zu machen.
Aber – wenn er jemals irgendeines Verbrechens überführt werden sollte, so würde das Geständnis, das er bei mir hinterlegt hatte, der Polizei übergeben werden. Ich habe mich selbst geschützt, i n dem ich ihm klar gemacht habe, dass mein eigener Tod das Pro b lem nicht lösen würde.
Du bist mein ältester Freund. Ich lege eine Last auf deine Schu l tern, aber ich bitte dich im Namen meiner toten Frau, der du auch ein treuer Freund warst: Finde Nigel. Wenn er sich nichts hat zu Schulden kommen lassen, vernichte diesen Brief und das beigefügte Geständnis. Wenn nicht – lass der Gerechtigkeit ihren Lauf.
Dein dir treu ergebener Freund
Arthur Stanley
»Ah!« Poirot tat einen tiefen Seufzer.
Er faltete das zweite Blatt auseinander.
Hiermit gestehe ich, dass ich meine Mutter ermordet habe, indem ich ihr am 18. November 195- eine Überdosis Medinal vera b reicht habe.
Nigel Stanley
Zweiundzwanzigstes Kapitel
» V erstehen Sie bitte Ihre Lage, Miss Hobhouse. Ich habe Sie bereits gewarnt, dass Sie…«
Valerie Hobhouse schnitt Sharpe das Wort ab. »Ich weiß, was ich tue. Sie haben mich gewarnt, dass alles, was ich aussage, vor Gericht gegen mich verwendet werden kann. Das nehme ich in Kauf. Sie haben mich wegen der Schmuggelei rangekriegt. Ich mache mir nichts vor. Das bedeutet einige Jahre Gefängnis. Aber mit den Morden habe ich nichts zu tun.«
»Wenn Sie eine Aussage machen möchten, so kann Ihnen dies natürlich helfen, aber ich kann Ihnen keine Versprechungen machen und keinerlei Gegenleistung anbieten.«
»Das ist mir gleichgültig. Ich will es jetzt und hier zu Ende bringen, bevor ich jahrelang im Gefängnis schmore. Ich will aussagen. Ich mag, wie sie es nennen, der Beihilfe schuldig sein, aber ich bin keine Mörderin. Ich habe nie beabsichtigt oder gewollt, dass jemand ermordet wird. So dumm bin ich nicht. Und ich will, dass Nigel seine Strafe kriegt…
Celia hat natürlich viel zu viel gewusst, aber damit wäre ich schon irgendwie fertig geworden. Aber Nigel hat mir keine Zeit gelassen. Er hat sie überredet, sich außerhalb des Hauses mit ihm zu treffen, hat ihr vorgelogen, dass er die Sache mit dem Rucksack und der grünen Tinte zugeben würde, und dann hat er ihr Morphium in die Kaffeetasse geschüttet. Er hatte sich vorher ihren Brief an Mrs Hubbard angeeignet und daraus die nützliche ›Selbstmord‹-Passage herausgerissen. Die hat er zusammen mit der leeren Morphiumflasche (die er behalten hatte, anstatt sie wegzuwerfen) an ihrem Bett hinterlegt. Ich sehe inzwischen, dass er den Mord schon längere Zeit geplant hatte. Und dann kam er einfach und sagte mir, was er getan hatte. Um mich selbst zu schützen, konnte ich ihn nicht verraten.
Dasselbe muss mit Mrs Nick passiert sein. Er hatte herausgefunden, dass sie zu viel trank und unzuverlässig wurde. Er muss es geschafft haben, sie irgendwo auf dem Nachhauseweg abzufangen und ihr den Drink zu vergiften. Er hat es mir gegenüber immer abgestritten – aber ich weiß, dass er es getan hat.
Und dann schließlich Pat. Nigel kam in mein Zimmer und sagte mir, was geschehen war. Er sagte, was ich jetzt tun müsste, damit wir beide, er und ich, ein wasserdichtes Alibi hätten. Ich war inzwischen völlig in seiner Hand, es gab keinen Ausweg mehr…
Ich nehme an, wenn Sie mich nicht geschnappt hätten, hätte ich mich irgendwohin ins Ausland abgesetzt und ein neues Leben angefangen. Aber Sie haben mich geschnappt…
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