Die Klinge der Träume
fester halten. Ihr flatternder Umhang zerrte unbehaglich an ihrem Hals, und sie hüpfte so hart auf und ab, dass ihre Zähne aufeinander schlugen, wenn sie den Mund im falschen Augenblick öffnete, aber sie gab nicht auf, trieb die Stute sogar noch einmal an. Beim Licht, bei Sonnenaufgang würde sie alle Knochen im Leib spüren. Und es ging weiter durch die Nacht, und jeder weit ausholende, federnde Schritt des Pferdes stauchte sie in den Sattel. Immerhin verhinderten die zusammengebissenen Zähne, dass sie gähnen konnte.
Endlich traten nach einem schmalen Streifen aus Bäumen die Pferdeleinen und Wagenreihen aus der Dunkelheit zum Vorschein, die das Aes Sedai-Lager umringten. Mit einem erleichterten Seufzer riss sie die Zügel so hart zurück, wie sie nur konnte. Bei einem Pferd, das so schnell lief, musste man sicherlich so hart daran reißen, um es anzuhalten. Nachtlilie hielt an, so abrupt, dass sie mit Sicherheit über den Hals der Stute geflogen wäre, wäre diese nicht zugleich auf die Hinterbeine gestiegen. Mit weit aufgerissenen Augen klammerte sich Siuan am Hals des Tieres fest, bis es schließlich wieder alle vier Hufe fest auf den Boden gestellt hatte. Und danach noch eine Weile länger.
Auch Nachtlilie atmete schwer, wie ihr bewusst wurde. Eigentlich keuchte sie sogar. Siuan verspürte kein Mitleid. Das blöde Tier hatte versucht, sie umzubringen, so wie es bei Pferden nun einmal üblich war! Sich zu erholen brauchte einen Moment, aber dann zog sie den Umhang zurecht, nahm die Zügel auf und ritt in gemächlichem Schritt an den Wagen und langen Reihen aus Pferden vorbei. Zwischen den Pferden bewegten sich schattenhafte Männer, zweifellos Pferdeknechte, die sich um die sichtlich unruhigen Tiere kümmerten. Die Stute schien jetzt folgsamer zu sein. Wirklich, das war gar nicht so übel.
Als sie das eigentliche Lager betrat, zögerte sie nur kurz, bevor sie Saidar umarmte. Es war seltsam, ein Lager voller Aes Sedai als gefährlich zu betrachten, und doch waren hier zwei Schwestern ermordet worden. Bedachte man die Umstände ihres Todes, erschien es unwahrscheinlich, dass das Halten der Macht ausreichen würde, um sie zu retten, sollte sie das nächste Opfer sein, aber Saidar vermittelte zumindest die Illusion von Sicherheit. So lange, bis sie sich erinnerte, dass es nur eine Illusion war. Einen Augenblick später webte sie die Stränge aus Geist, die ihre Fähigkeiten und das Leuchten der Macht verbergen würden. Es bestand schließlich keine Notwendigkeit, sie anzukündigen.
Selbst zu dieser Stunde, da der Mond tief im Westen stand, waren ein paar Leute auf den Gehwegen unterwegs, Diener und Dienerinnen, die eilig späte Aufgaben erledigten. Vielleicht wäre frühe die zutreffendere Bezeichnung. Die meisten Zelte, die es in beinahe jeder vorstellbaren Größe und Form gab, waren dunkel, aber in einigen der größeren funkelte das Licht von Lampen oder Kerzen. Unter diesen Umständen keine große Überraschung. Um jedes erleuchtete Zelt standen Männer oder hatten sich davor versammelt. Behüten Niemand sonst konnte so still stehen, dass er mit der Nacht zu verschmelzen schien, vor allem nicht in einer so kalten Nacht. Erfüllt von der Macht konnte sie noch andere ausmachen, ihre Behüterumhänge ließen sie in den Schatten verschwinden. Keine Überraschung, dachte man an die ermordeten Schwestern und das, was ihr Bund mit den Aes Sedai an sie übertragen musste. Vermutlich war mehr als nur eine Schwester bereit, sich die Haare auszureißen. Oder jemand anderem. Sie bemerkten sie, folgten ihrem Weg, während sie langsam suchend die gefrorenen Furchen entlangritt.
Der Saal musste informiert werden, natürlich, aber andere mussten es vorher wissen. Ihrer Einschätzung nach waren sie eher dazu bereit, etwas… Überstürztes zu tun. Und möglicherweise Verheerendes. Eide hielten sie, aber erzwungene Eide, an eine Frau, die sie nun tot wähnten. Für den Saal, den größten Teil des Saals, galt, dass sie ihre Flagge an den Mast genagelt hatten, indem sie einen Sitz annahmen. Keine von ihnen würde springen, bevor sie ganz genau wussten, wo sie landen würden.
Sheriams Zelt war zu klein für das, von dem Siuan sicher war, es vorzufinden, außerdem war es dunkel, wie sie im Vorbeigehen bemerkte. Sie bezweifelte aber sehr, dass die Frau drinnen schlief. Morvrins Unterkunft, groß genug, um Schlafplatz für vier zu bieten, hätte es getan, wäre Platz unter all den Büchern gewesen, die die Braune auf dem
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