Die Klinge der Träume
berührte. Das Mädchen konnte Telʹaranʹrhiod betreten! Und es gab Terʹangreale, die das ebenfalls erlaubten? Die Welt der Träume war fast so etwas wie eine Legende. Und diesen beunruhigenden Hinweisen zufolge, die die Ajahs gnädigerweise mit ihr geteilt hatten, hatte das Mädchen das Gewebe für das Schnelle Reisen wiederentdeckt und noch jede Menge anderer Entdeckungen gemacht. Das war der ausschlaggebende Faktor für ihre Entscheidung gewesen, das Mädchen der Burg zu erhalten, aber nach all dem anderen jetzt auch noch das?
»Falls Egwene das tun kann, Mutter, dann ist sie vielleicht wirklich eine Träumerin«, sagte Tarna. »Die Warnung, die sie Silviana übermittelt hat…«
»Ist nutzlos, Tarna. Die Seanchaner sind noch immer tief im Landesinneren von Altara und haben Illian kaum berührt.«
Wenigstens waren die Ajah bereit, alles weiterzugeben, was sie über die Seanchaner erfuhren. Zumindest hoffte sie, dass sie alles weitergaben. Der Gedanke ließ ihre Stimme rauer klingen. »Solange sie das Reisen nicht lernen, fällt Euch irgendeine Vorsichtsmaßnahme ein, die ich außer denen ergreifen sollte, die bereits veranlasst sind?« Natürlich fiel ihr nichts ein. Das Mädchen hatte eine Rettungsaktion verboten? Oberflächlich gesehen war das gut, aber es war ein Hinweis darauf, dass sie sich noch immer als Amyrlin betrachtete. Nun, Silviana würde ihr diese Flausen schnell austreiben, falls die Schwestern, die sie in ihren Klassen unterrichteten, versagten. »Kann man ihr genug von dem Trank verabreichen, um sie aus Telʹaranʹrhiod herauszuhalten?«
Tarna verzog leicht den Mund - niemandem gefiel das widerwärtige Gebräu, nicht einmal den Braunen, die sich dazu überwunden hatten, es auszuprobieren - und schüttelte den Kopf. »Wir können sie für die Nacht betäuben, aber sie wäre am nächsten Tag zu nichts zu gebrauchen, und wer vermag schon zu sagen, ob es diese Fähigkeit überhaupt beeinflussen würde.«
»Darf ich Euch einschenken, Mutter?«, fragte Beonin und balancierte eine weiße Teetasse aus dünnem Porzellan auf den Fingerspitzen. »Tarna? Die wichtigste Neuigkeit, die ich mitgebracht habe…«
»Ich will keinen Tee«, sagte Elaida gereizt. »Habt Ihr irgendetwas mitgebracht, um Eure Haut wegen Eurem erbärmlichen Versagen zu retten? Kennt Ihr die Gewebe für das Schnelle Reisen oder dieses Gleiten .. .« Es gab so viele. Vielleicht waren es alles Talente und Fertigkeiten, die verloren gegangen waren, aber anscheinend hatte man den meisten noch nicht wieder Namen verliehen.
Die Graue spähte mit völlig reglosem Gesicht über ihre Teetasse. »Ja«, sagte sie schließlich. »Ich kann kein Cuendillar herstellen, aber ich kann die neuen Heilgewebe so gut wie die meisten Schwestern weben, und ich kenne sie alle.« Ein Hauch Aufregung stahl sich in ihre Stimme. »Das Wunderbarste ist das Schnelle Reisen.« Ohne um Erlaubnis zu bitten, umarmte sie die Quelle und webte Geist. Ein vertikaler Silberstrich erschien vor einer Wand und verbreiterte sich zu einem Anblick schneebedeckter Eichen. Ein kalter Windstoß fuhr in den Raum und ließ die Kaminflammen tanzen. »Das nennt man ein Wegetor. Es kann nur erschaffen werden, wenn man mit dem Ausgangspunkt gut vertraut ist. Will man zu einem Ort, der einem nicht bekannt ist, benutzt man das Gleiten.« Sie veränderte das Gewebe, und die Öffnung zerschmolz wieder zu dem silbrigen Strich, der erneut breiter wurde. Die Eichen wurden von Dunkelheit ersetzt sowie einer grau gestrichenen, mit einer Reling versehenen Barke, die vor der Öffnung auf dem Nichts trieb.
»Löst das Gewebe auf«, sagte Elaida. Sie hatte das Gefühl, dass, sollte sie zu dieser Barke gehen, sich die Dunkelheit in allen Richtungen so weit erstrecken würde, wie sie sehen konnte. Dass sie für alle Ewigkeit fallen würde. Es verursachte ihr ein flaues Gefühl im Magen. Die Öffnung - das Wegetor - verschwand. Die Erinnerung daran blieb jedoch.
Sie nahm ihren Platz hinter dem Tisch wieder ein und öffnete das größte der lackierten Kästchen, das mit roten Rosen und goldenen Schnörkeln verziert war. Sie nahm eine kleine Elfenbeinminiatur von dem obersten Einsatz, eine Schwalbe mit gespreiztem Schwanz, der die Jahre eine dunkelgelbe Färbung verliehen hatten, und strich mit dem Daumen über die geschwungenen Schwingen. »Ohne meine Erlaubnis werdet Ihr diese Dinge niemandem beibringen.«
»Aber .. . warum denn nicht, Mutter?«
»Einige der Ajahs widersetzen sich der Mutter
Weitere Kostenlose Bücher