Die Klinge: Roman (German Edition)
sagte Lisa. »Ich sage ihm …«
»Dad?«
»Ja.«
»Dann müssen Sie Lisa sein!«
Sie nickte.
»Ich habe Sie nicht erkannt … ja, natürlich nicht. Ich kann Sie durch diese Tür nicht richtig sehen. Und als wir uns das letzte Mal begegnet sind, waren Sie … vier oder fünf Jahre alt, glaube ich.«
»Sie kennen mich?«
»Aber natürlich. Ich kenne Ihren Vater und Ihre Mutter sehr gut. Ich kannte Janet sogar schon, bevor sie Ihren Vater geheiratet hat.«
»Sie kannten sie schon vorher?«
»Ja. Sehr gut. Haben sie nie von mir gesprochen?«, fragte er. »Wayne Kemper?«
Lisa schüttelte den Kopf, dann fiel ihr ein, dass er sie durch das Gitter in der Tür kaum erkennen konnte. »Ich weiß nicht genau. Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor.«
»Jedenfalls komme ich zu spät zum Interview. Ihre Eltern fragen sich bestimmt, warum ich nicht aufgetaucht bin. Würden Sie Ihren Vater anrufen, ihm die Lage erklären und ihm sagen, dass ich so schnell wie möglich rüberkomme?«
»Klar. Gern.« Sie entriegelte die Sicherheitstür und schwang sie auf. »Warum warten Sie nicht drin, während ich anrufe?«
Wayne lächelte. »Ah, da sind Sie ja.« Er trat ins Haus. »Und zu was für einer reizenden jungen Frau Sie sich entwickelt haben.«
»Danke.«
Er zog die Sicherheitstür hinter sich zu. »Also«, sagte er, »was ist das für ein Gefühl, die Tochter von zwei so bekannten Schriftstellern zu sein?«
»Ganz okay«, sagte sie.
»Haben Sie ebenfalls Ambitionen in dieser Richtung?«
»Auf keinen Fall. Aber vielleicht wird meine kleine Schwes ter mal Schriftstellerin.«
»Und was tun Sie?«
»Ich bin Lehrerin.«
»Ah, das ist toll. Ihre Mutter war auch Lehrerin, stimmt’s? Bevor sie zu schreiben begann?«
»Ja, ein paar Jahre lang. Aber Sie sollten doch Dad interviewen, nicht mich. Ich werde …«
»Sie sehen Ihrer Mutter erstaunlich ähnlich«, sagte Wayne. »Verblüffend.«
»Danke.«
»Ich kannte Ihre Mutter, als sie in Ihrem Alter war. Sie war eine echte Schönheit.«
»Sie sieht immer noch ziemlich gut aus«, sagte Lisa.
»Sie könnten ihr Klon sein.« Wayne nahm seine Sonnenbrille ab. »Was für eine Schönheit.«
Sie gab sich Mühe, ihn nicht anzustarren.
Er sah aus, als hätte er einmal einen schlimmen Unfall erlitten – einen Unfall, bei dem er ein Auge verloren und Narben davongetragen hatte, die sein Gesicht vom Augen winkel bis fast zum Ohr überzogen.
Das linke Auge war offensichtlich eine Nachbildung. Und zwar eine schlechte; es starrte weiter nach unten als das echte Auge, sodass es ihre Brüste zu betrachten schien.
»Ich rufe jetzt lieber an«, sagte sie und wandte sich ab.
Lisa hatte erst einen Schritt getan, als das Sonnenlicht sich aus dem Flur zurückzuziehen begann. Sie blickte zurück. Wayne schloss die Haustür.
»Sie brauchen sie nicht zuzumachen«, sagte sie.
»Doch«, sagte Wayne. »Wir wollen doch nicht, dass jemand deine Schreie hört.«
Lisa erstarrte und verspürte eine eisige Kälte.
Wayne griff hinter seinen Rücken, zog etwas aus der Gesäßtasche und hielt es sich vor das Gesicht. Eine Klinge sprang heraus und rastete ein.
Eine lange, dünne Klinge, die sich zu einer Spitze verjüngte.
»Hey«, sagte Lisa.
»Selber hey.«
Ihr Herz klopfte so schnell und fest, als wollte es aus der Brust springen.
»Was wollen Sie?«, fragte Lisa.
Er grinste. »Ich bin Albert Mason Prince.«
»Na und?«
»Hast du noch nie von mir gehört?«
»Was sollte ich denn gehört haben?«
»Das hat mir deine Mutter angetan.« Er wedelte mit der freien Hand vor seinem Gesicht herum. »Hat sie dir nie von ihrer Begegnung mit dem berüchtigten Mörder Albert Mason Prince erzählt?«
Berüchtigter Mörder?
»Ich habe noch nie von Ihnen gehört«, sagte sie.
»Hast du die Narben deiner Mutter gesehen? An den Händen und Armen, am Bein, am Bauch?«
»Sie ist durch eine Glastür gelaufen.«
Lachend entgegnete er: » Ich bin die Tür.«
»Sie haben ihr die Schnitte zugefügt?«
»Mit meinem kleinen Messer.« Er ließ das Springmesser einmal durch die Luft wirbeln. »Und ich habe sie auch gefickt. Sie und dich.«
»Was?«
»Ich habe dich auch gefickt. Du warst in ihr drin. Deshalb hatte ich euch beide zugleich.«
»Sie war mit mir schwanger?«, fragte Lisa.
»Und hatte solche Angst, dass ich dir was tun würde, ihrem wertvollen kleinen Fötus.« Er ließ das Messer noch einmal herumwirbeln. »Ich war kurz davor, dich aus ihr rauszuschneiden. Aber ich bin natürlich froh,
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