Die Klingen der Rose: Ein unwiderstehlicher Schurke (German Edition)
er sich schon ein bisschen anstrengen. So hatte sie Gelegenheit, sich von Mr Drayton zu verabschieden.
Doch als London sich zu ihm umdrehte, blickte sie ins Leere. Er war verschwunden.
Sie blinzelte verwirrt. »Wo ist er hin?«, fragte sie Sally.
Die Zofe zuckte mit den Schultern und schnaubte: »Das weiß ich nicht, Madam. Eben war er noch da, und im nächsten Augenblick war er verschwunden. Wie ein Phantom.«
London lief ein Schauer den Rücken hinunter. Mr Draytons Abgang war recht unheimlich – lautlos und unversehens. Was für ein Mann konnte sich in Luft auflösen? Sicher keiner von anständigem Charakter. Vielleicht war es gut, dass London sich so vorsichtig verhalten hatte. Womöglich war er ein Dieb? Oder einer jener Männer, die wohlhabende Frauen auf Reisen beraubten? Oder … ein Söldner? Ein gefährlicher Mann jedenfalls. Wie sie vermutet hatte. Aber einer, der sie auf fast unwiderstehliche Weise anzog. Nicht nur, weil er hinreißend attraktiv war, sondern auch, weil er sie ihrer eigenen Fähigkeiten bewusst machte. Ihm hätte sie vielleicht sogar ihr linguistisches Wissen offenbaren können. Er hätte es akzeptiert, vielleicht sogar bewundert. Oder gehörte es zu seinen gefährlichen Waffen, Vertrauen zu wecken?
Mit einem unguten Gefühl drehte London sich um und winkte Fraser zu. Augenblicklich bahnte er sich seinen Weg zu ihr, wobei er sich wie üblich vollkommen rücksichtslos verhielt. Der dicke Mann im weißen Leinenanzug drängte sich über den Marktplatz, sein wenig attraktives Gesicht war mürrisch, seine blasse Haut gerötet. Als er sie erreichte, setzte er natürlich eine freundlichere Miene auf. Schließlich stand er der Tochter seines Vorgesetzten gegenüber. London war sehr wohl aufgefallen, dass Thomas Fraser und ein paar andere Männer ihr besondere Aufmerksamkeit geschenkt hatten, sobald sie aufgehört hatte, um Lawrence zu trauern. Sie vermutete, dass die Kerle sich weniger von ihrem Charme angezogen fühlten als vielmehr von der Tatsache, dass sie Joseph Edgeworths Tochter war.
»Da sind Sie ja, Mrs Harcourt.« Fraser nahm seinen Hut ab und fächelte sich Luft zu. Seine weizenblonden Haare klebten in feuchten Strähnen an seiner Stirn. »Wie schrecklich laut es auf diesem furchtbaren Markt ist. Und verflixt heiß.«
»Ich finde es ziemlich angenehm, zumal nach dem verregneten Frühling in England.«
»Na, wie Sie meinen.« Er setzte seinen Hut wieder auf. »Eine hübsche Schärpe haben Sie da. Sehr elegant.«
London hatte den Schal, den Ben Drayton ihr um die Taille geknotet hatte, ganz vergessen. Sie löste den Knoten und hielt dann inne. Sie würde den Schal als Andenken an diesen merkwürdigen und aufmunternden Tag behalten. In ihrer Tasche fand sie eine silberne Fünfzig-Lepta-Münze für den Verkäufer. Bevor sie das Geld herausnahm, strich sie mit den Fingern über die Tonscherbe, die Drayton ihr aufgedrängt hatte. Wahrlich, ein sündhafter Bursche, dachte sie.
Nachdem sie bezahlt hatte, fragte der sündlose Fraser: »Erweisen Sie mir die Ehre, mich zum Hotel zu begleiten? Ihr Vater wünscht, dass Sie sich zum Abendessen umziehen.«
Natürlich wünscht er das, dachte London. »Danke, sehr freundlich von Ihnen, Mr Fraser.« Sie ergriff seinen dargebotenen Arm und gefolgt von Sally verließen sie den Marktplatz. London blickte starr geradeaus, obwohl sie sich zu gern umgedreht hätte, um zu sehen, was aus dem rätselhaften Mr Drayton geworden war. Ach, es spielte keine Rolle. Sie bezweifelte, dass sie ihn jemals wiedersehen würde. Aber sie wusste nicht, ob sie deswegen froh oder traurig sein sollte.
* * *
Das war verdammt knapp gewesen. Bennett konnte von Glück reden, dass Fraser ihn nicht entdeckt hatte. Sonst hätte der Mistkerl wieder die üblichen Schläger auf ihn gehetzt. Und das wollte Bennett nicht noch einmal erleben. Die Erben heuerten immer einheimische Kraftprotze an, die für sie die Drecksarbeit erledigten. Gierhälse gab es überall auf der Welt, das gereichte den Erben zum Vorteil. Ganz gleich, wo die Suche sie hinführte, überall standen ihnen reichlich Kerle zur Auswahl, die keine Moral kannten.
Als Bennett durch eine Gasse vom Marktplatz verschwand, erwachten in ihm alte Hassgefühle zu neuem Leben. Dieser verdammte Thomas Fraser! Hier, in Griechenland. Dieser Idiot. Bennett scherte sich um keinen der Erben, aber Fraser verfolgte ihn wie ein Fluch. Vor allem, weil Fraser an dem Desaster in Norwegen beteiligt gewesen war, das Bennett vor Jahren
Weitere Kostenlose Bücher