Die Klinik
Er verließ das Zimmer und ging die Treppe hinunter.
Keine hatte gefragt, woher die Niere kam. Er wußte, wenn er sie das nächstemal sah, würden sie sich dafür schämen.
Der Straßenverkehr ging allmählich zurück. Der Wind blies vom Meer über die schmutzigsten Stadtviertel herein und trug eine vielfältige Mischung von Gerüchen mit sich, meist üblen. Adam verspürt den Drang, zwanzig schnelle Runden zu schwimmen oder ausgiebig zu lieben, irgendeine körperlich rasend anstrengende Tätigkeit zu unternehmen, welche die Last erleichtern würde, die ihn jetzt fast zu Boden drückte. Wäre er nicht der Sohn eines Säufers gewesen, dann hätte er jetzt eine Bar gesucht. Statt dessen ging er über die Straße zu Maxie, aß Chowder aus der Dose und trank zwei Tassen schwarzen Kaffees. Der Junge hinter der Theke konnte nichts für den Fraß, und der Kaffee schmeckte wie der erste Kuß von einem häßlichen Mädchen, nichts, dessen man sich rühmen konnte, aber tröstlich.
Der Fellow der Chirurgie, Meomartino, hatte die Verbindungen zwischen den Operationssälen und den engsten Verwandten des Spenders organisiert. Man mußte ihm zugestehen, das System funktionierte, dachte Adam Silverstone widerwillig, während er seine Fingernägel bürstete.
Spurgeon Robinson war an der Tür des OP 3 postiert.
Im Büro der chirurgischen Station im ersten Stock wartete ein zweiter Spitalsarzt namens Jack Moylan bei Mrs. Connors. In Moylans Tasche steckte ein Zettel mit der Zustimmung zur Autopsie. Er saß mit dem Telephonhörer am Ohr da und wartete. Am anderen Ende der Leitung saß ein Facharztanwärter im ersten Jahr namens Mike Schneider hinter dem Schreibtisch auf dem Gang vor der OP-Tür.
Drei Meter von jener Stelle, wo Spurgeon stand und wartete, lag Paul Connors auf dem Operationstisch. Es war mehr als vierundzwanzig Stunden her, seit er in das Krankenhaus eingeliefert worden war, aber noch immer atmete der Respirator für ihn.
Meomartino hatte ihn bereits für den Eingriff vorbereitet und legte ein steriles Plastiktuch über das Operationsfeld.
Neben ihm sprach Dr. Kender, der stellvertretende Chefarzt der Chirurgie, leise mit Dr. Arthur Williamson von der Internen.
Gleichzeitig ging nebenan im OP 4 Adam Silverstone, jetzt reingebürstet und vermummt, zum Operationstisch, auf dem Susan Garland lag. Das Mädchen starrte ihn schläfrig an. Sie erkannte ihn hinter der Operationsmaske nicht.
»Hallo, Schätzchen«, sagte er.
»Oh. Sie sind’s.«
»Wie geht’s?«
»Alle verkleidet. Ihr seht aus wie Gespenster.« Sie lächelte und schloß die Augen.
Um 7 Uhr 55 setzten Dr. Kender und Dr. Williamson im OP 3 die Elektroden eines Elektroenzephalographen an Paul Connors’ Schädel.
Wie am Abend zuvor zog der Griffel des EEG eine gerade Linie auf dem Millimeterpapier und bestätigte damit, was sie ohnehin wußten: daß sein Geist nicht mehr lebte. Zweimal in vierundzwanzig Stunden hatten sie das Fehlen elektrischer Tätigkeit im Gehirn des Patienten verzeichnet. Die Pupillen waren stark erweitert, die peripheren Reflexe fehlten.
Um 7 Uhr 59 drehte Dr. Kender den Respirator ab. Fast gleichzeitig hörte Paul Connors zu atmen auf.
Um 8 Uhr 16 suchte Dr. Williamson den Herzschlag, und als er keinen fand, erklärte er Connors für tot.
Spurgeon Robinson öffnete die Tür zum Gang. »Jetzt«, sagte er zu Mike Schneider.
»Er ist ex gegangen«, sagte Schneider ins Telephon.
Sie warteten schweigend. Schneider horchte gespannt, wandte sich dann kurz darauf ab und sagte: »Sie hat unterzeichnet.«
Spurgeon ging in den OP 3 zurück und nickte Meomartino zu.
Während Dr. Kender zusah, nahm der Fellow ein Skalpell und machte den transversalen Einschnitt, der es ihm ermöglichte, die Niere aus der Leiche zu entfernen.
Meomartino arbeitete mit äußerster Sorgfalt und wußte, daß seine Nephrektomie sauber und richtig war, weil Dr. Kender beifällig schwieg. Er war es gewöhnt, vor den kritischen Augen der Älteren zu operieren, und ließ sich nie aus der Fassung bringen.
Dennoch schwankte seine Selbstsicherheit für den Bruchteil einer Sekunde, als er aufblickte und Dr. Longwood auf der Galerie sitzen sah.
Waren es Schatten? Oder waren es die von ihm in diesem kurzen Augenblick wahrgenommenen angeschwollenen dunklen Zeichen urämischer Vergiftung, die unter den Augen des Alten bereits erkennbar waren?
Dr. Kender räusperte sich, und Meomartino beugte sich wieder über die Leiche.
Er brauchte nur sechzehn Minuten, um
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