Die Knickerbocker Bande 01 - Rätsel um das Schneemonster
Samstag, dem 9. Dezember, im Hotel Olympia in Innsbruck.
In einem der wuchtigen Ledersessel der Hotelhalle saß ein etwa zehnjähriger Junge. Mit ernster Miene blätterte er in den großen Seiten einer Tageszeitung. Er hatte eine runde Nickelbrille auf der Nase und trug einen grauen Anzug. Neben ihm stand ein kleiner Aktenkoffer. Auf den ersten Blick hätte man ihn für einen Generaldirektor halten können, der beim Waschen eingegangen war.
»Rätsel um Schneemonster von Kitzbühel« las der Junge interessiert auf der letzten Seite. »Von einer amerikanischen Urlauberin wurde gestern Nachmittag ein Schneemonster gesichtet. Das Untier soll sie angefallen und zu Boden gerissen haben. Danach verschwand es im Schneesturm. Die Urlauberin hat keine Verletzungen erlitten. Die Suche der Bergwacht nach dem Schneemonster blieb erfolglos.«
Neben dem Jungen kauerte auf einer wuchtigen Lederbank ein zartes Mädchen und knabberte nervös an seinen Fingernägeln. Es trug eine dicke Daunenjacke und blickte ständig nach allen Seiten. Immer wieder warf es seine langen Haare über die Schultern und seufzte leise.
Die Drehtür des Hotels setzte sich wieder in Bewegung und beförderte einen sportlichen, rothaarigen Jungen und ein schlankes, aufgeschossenes Mädchen mit langen, blonden Zöpfen herein. Ihnen folgte ein dickbäuchiger, kleiner Mann, der ein paar Autoschlüssel um den Zeigefinger kreisen ließ.
»Das sind die letzten beiden dieses Wettbewerbs«, sagte er zu dem Herrn an der Rezeption. »Sag dem Doktor Bescheid. Ich muss weiter.«
Der Portier nickte und deutete den beiden Neuankömmlingen, Platz zu nehmen. »Bitte setzt euch und habt noch eine Minute Geduld, liebe Kinder.«
»Wir sind keine Kinder mehr,« knurrte der rothaarige Bub, als er sich in den tiefen Ledersessel fallen ließ.
Der Portier telefonierte, und ein paar Sekunden später stürzte ein kleiner Mann mit Riesenschritten die Treppe herunter. Die wenigen Haare, die noch auf seinem Kopf sprossen, waren mit einer süßlich riechenden, fettigen Pomade festgeklebt. Höfliche Menschen hätten den Mann als »untersetzt« bezeichnet. In Wahrheit war er allerdings ziemlich fett und schwammig. Sein rundes Gesicht war sehr faltig, und er hatte große Ähnlichkeit mit einem Mops.
»Tag, Tag, Tag!« rief der kleine Dicke den Kindern zu. Die Fröhlichkeit war gespielt, das merkte jeder.
»Mein Name ist Doktor Markus Grassus. Ich bin der Werbechef der Firma »Geier-Wally«. Ich hatte auch die Idee zu dem Lederhosen-Malwettbewerb, den ihr gewonnen habt. Ich gratuliere!« Mit diesen Worten packte Herr Dr. Grassus die Hände der verblüfften Mädchen und Buben und schüttelte sie aus Leibeskräften. Dann blickte er die vier fragend an. »Wer ist aber nun wer?«
»Mein Name ist Dominik Kascha, ich komme aus Wien!« stellte sich der Junge mit der Zeitung vor.
»Ich danke übrigens für den Flug von Wien nach Innsbruck. Er war ein großes Erlebnis für mich.«
Der rothaarige Bub warf ihm einen spöttischen Blick zu. »Wieso redest du denn so geschwollen?«
»Tut mir leid, aber ich spiele gerade am Wiener Burgtheater im Stück ›Wilhelm Tell‹. Die Sprache des großen Dichters Schiller scheint manchmal ein bißchen abzufärben!«
»Wen spielst du denn? Den Apfel?« Der Rothaarige lachte über seinen Scherz laut los. Die beiden Mädchen kicherten mit. Dominik schwieg beleidigt.
»Darf ich nun dich nach deinem Namen fragen?« wandte sich Dr. Grassus an den drahtigen Burschen mit den roten Haaren.
»Axel ... Axel Klingmeier heiße ich, und ich komme aus Linz. Wieso haben Sie eigentlich erst gestern Abend bei uns angerufen? Warum müssen wir schon heute hier sein? Haben Sie uns nicht früher verständigen können?«
»Dazu komme ich gleich«, vertröstete ihn der Werbechef und sah die beiden Mädchen fragend an. »Und ihr? Wer seid ihr?«
Das kleine Mädchen holte tief Luft und piepste dann leise: »Poppi! Ich bin Poppi Monowitsch. Aus Graz! Ja ... danke für den Flug ... ich bin auch zum ersten Mal geflogen ...«
»Und ich heiße Lieselotte Schroll und komme aus Kitzbühel«, sagte das Mädchen mit den dicken, blonden Zöpfen.
Dr. Grassus setzte ein Lächeln auf, das er selbst wohl für freundlich hielt, und flötete: »Sehr erfreut! Sehr erfreut! Der Grund, warum ihr erst gestern Abend von der heutigen Preisverleihung verständigt wurdet, ist die Vergesslichkeit meiner Sekretärin. Deshalb mussten wir euch heute schnellstens herbringen lassen. Um sechs Uhr
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