Die Knochenleserin
dem Militärlager gedient, das Montalvo in Kolumbien betrieben hatte, und er würde ihm immer zu Diensten sein, überall, jederzeit, bis ans Ende seines Lebens. Das hieß allerdings nicht, dass er nicht genau wusste, wie unerbittlich Montalvo reagieren konnte, sollte er die Grenzen des Erlaubten überschreiten. »War nur so eine Bemerkung. Was soll ich als Nächstes tun?«
»Finde alles heraus, was der Sheriff über Kistle ermittelt hat. Ich setze mich noch heute Abend ins Flugzeug.«
»Soll ich Kistle im Wald nachsetzen? Vielleicht gelingt es mir ja, ihn für Eve zu fangen, solange ich nicht über die Deputys des Sheriffs stolpere.«
»Nein, verdammt. Für die Operationen deiner Hände habe ich ein kleines Vermögen ausgegeben. Du sollst nicht einmal ein Buch aufschlagen, geschweige denn den Guerillero spielen.«
»Ich langweile mich. Meine Hände sind in Ordnung. Okay, vielleicht nicht ganz«, gab er zu, »aber sie funktionieren. Ein einfallsreicher Typ wie ich kann das kompensieren.«
»So einfallsreich, wie du bist, wirst du noch an Wundbrand sterben. Bleib, wo du bist, halt die Augen offen, und lass dich nicht in diesem Wald blicken.«
»Du glaubst, er ist Bonnies Mörder?« Jane betrachtete den Kaffee in ihrer Tasse. »Du hast mir mal erzählt, du hättest kurz nach Bonnies Verschwinden Dutzende von Anrufen von Spinnern erhalten, die den Mord an Bonnie gestanden hätten. Kann das nicht auch so einer gewesen sein?«
»Ja.« Eve lehnte sich erschöpft auf ihrem Stuhl zurück. »Montalvos Ermittler haben sich bei Gefängnisinsassen umgehört, deren Freunde oder Bekannte sich damit gerühmt hatten, Bonnie getötet zu haben. Sie haben drei mögliche Verdächtige ermittelt. Vielleicht waren das aber auch nur solche Typen wie die Widerlinge, die mich damals angerufen haben. Vielleicht wollten sie sich vor ihren Mithäftlingen nur wichtigmachen.«
»Aber du glaubst, er könnte es sein?«
Eve nickte heftig. »Er nannte sie einen brennenden Pfeil in der Dunkelheit. Bonnie war – er klang so, als hätte er sie tatsächlich gekannt.«
»Oder es war ein ausgebuffter Sadist, der dich unbedingt verletzen wollte.«
»Das wollte er auf jeden Fall.« Sie hob ihre Tasse an den Mund. »Es gefiel ihm gar nicht, dass Joe ihm die Polizei auf den Hals gehetzt hat, und ich war das nächstliegende Ziel.« Sie überlegte. »Nein, es war mehr als das. Er klang … fast wie berauscht.«
»Was weißt du über Kistle?«
»Weniger, als ich möchte. Der Bericht von Montalvo war ziemlich dürftig. Seine Leute hatten drei mögliche Verdächtige ermittelt. Kistle war einer davon. Sie haben seine Spuren vom letzten Jahr, als er in Detroit gewohnt hat, zurückverfolgt bis zu der Zeit von Bonnies Verschwinden, als er in Atlanta mit Drogen gehandelt hat. In dem Bericht klafften riesige Lücken. Er muss ziemlich viel herumgezogen und intelligent genug sein, seine Identität zu wechseln und sich falsche Papiere zu besorgen. Er ist immer wieder über längere Zeiträume untergetaucht. Wir wissen nicht, wo er sich aufgehalten hat. Allerdings hat er am Telefon was von Colorado gesagt.«
Einmal habe ich mich als Sheriff ausgegeben. Das war in Fort Collins, Colorado. Kindern bringt man bei, Polizisten zu vertrauen.
Als ihr diese Worte jetzt einfielen, überkam sie wieder dasselbe Ekelgefühl. Sie schüttelte müde den Kopf. »Ich muss mehr wissen. Er hat den Namen Kistle wieder benutzt, als er im vergangenen Jahr in Detroit aufgetaucht ist. Ein paar Monate später ist er von dort verschwunden, und bis jetzt hatte man nichts von ihm gehört.«
»Keine früheren Festnahmen? Keine Schulunterlagen?«
»Nichts.«
»Dann kann Kistle nicht sein wirklicher Name sein.«
Eve nickte. »Wir haben versucht, etwas über seine Vergangenheit herauszufinden, aber wir sind nicht weit gekommen. Und wir wollten wissen, wo das Schwein jetzt steckt. Offenbar hat Joe ihn aufgespürt und mir nichts davon gesagt.«
»Das war ein Fehler«, sagte Jane. »Aber er wollte nur das Beste für dich. Er wollte nicht, dass du dich quälst, falls Kistle doch nicht der Gesuchte ist.«
»Ja, das weiß ich. Es nützt nur nichts. Bonnie war meine Tochter. Er hätte mir –« Sie unterbrach sich, als das Telefon klingelte, sprang auf und nahm den Hörer ab. »Deputy Dodsworth ist dran«, sagte sie zu Jane. »Eve Duncan hier. Bitte sagen Sie mir, dass Sie Kistle geschnappt haben, Deputy.«
»Noch nicht«, erwiderte er grimmig. »Ich habe die Verkehrspolizei alarmiert, und
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