Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - GK595 - Tage des Wahnsinns

Der Hexer - GK595 - Tage des Wahnsinns

Titel: Der Hexer - GK595 - Tage des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
DER HEXER
    Eine Epoche, in der das Übersinnliche noch fester Bestandteil des Lebens ist, eine Zeit der Schwarzen Messen und heidnischen Riten. Der HEXER stellt sich gegen die Tyrannen dieser Zeit. Wissen ist seine Macht, Magie seine Waffe ...
     
    Tage des Wahnsinns
    von Robert Craven
    Es war ein Anblick von einer morbiden Faszination, die es mir unmöglich machte, wegzusehen. Mein Ebenbild im Spiegel begann, sich zu verändern, sich aufzulösen. Die Gesichtshaut wurde braun und rissig, zitterte wie ein welkes Blatt in einer scharfen Herbstbrise. Zuerst begriff ich gar nicht, was ich sah. In meiner zitternden Linken hielt ich noch immer den Rasierpinsel, in einer erstarrten, nur halb zu Ende geführten Bewegung. Mein Mund war zu einem stummen Schrei geöffnet. Hinter den Lippen sah ich schwarzbraune Zähne, die
    zusehends verfielen. Langsam, ganz langsam begann sich die welke Haut abzulösen, bis ich glaubte, den blanken Knochen darunter zu sehen. Mein Spiegelbild wurde zu einer Fratze, dann zu einem Totenschädel, meine Augen krochen in die Höhlen zurück und schienen mich satanisch anzufunkeln. Gleichzeitig setzte ein feines Singen ein, ein hoher, schriller Ton, der von überallher zu kommen schien, sich zu einem hellen Kreischen steigerte und mit einem peitschenden, splitternden Knall abbrach.

    Der Spiegel barst. Ein Hagel silberner Glassplitter überschüttete mich, Dutzende scharfkantiger, winziger Raubtierzähne bissen sich in mein Gesicht. Ich merkte es nicht einmal. Noch immer hielt mich das Grauen gepackt und schnürte mir unbarmherzig die Luft ab. Der Nachhall der Explosion drohte meinen Verstand mit sich zu reißen.
    Mein Denken war wie gelähmt, aber in meinem Inneren bäumte sich ein starkes, wildes Gefühl auf. Eine Saite, zum Zerreißen gespannt, mehr war ich in diesem Augenblick nicht, und doch wußte ich, daß es nichts weiter als eine Illusion gewesen war, gewesen sein mußte ...
    Der Schmerz und die grausige Verwandlung, die Furcht – alles war nichts als Einbildung, eine perfekte, tödliche Illusion.
    Meine Fingerspitzen fuhren wie von selbst über den Spiegelrahmen, und dann, ganz plötzlich, hatte ich wieder ein Bild vor Augen: das Bild einer jungen Frau, fast noch ein Mädchen. Fassungslos starrte ich auf das Gesicht, begriff nicht, was ich da sah, starrte nur in dieses Gesicht und bemerkte nicht die Ähnlichkeit der Haare mit der Form des Totenschädels, die gleiche Schwärze und das gleiche Wallen, das mich noch vor Sekunden gelähmt hatte. Dann ... »Priscylla«, krächzte ich. Die braunen, ausdrucksvollen Augen musterten mich mit einer Kälte, die ich nur zu gut kannte, und die mich doch im gleichen Maße erschreckte wie beim ersten Mal. Das war nicht Priscylla, meine süße, kleine Priscylla, das war Lyssa, die Hexe, die noch immer in ihr schlummerte und die mich schon einmal hatte vernichten wollen. (Siehe GK
    575: »Die Hexe von Salem«)
    Aber wie war das möglich?! Howard hatte mir versichert, glaubhaft versichert, daß sie keinen Schaden mehr anrichten konnte, daß sich seine Freunde ihrer annehmen und sie isolieren würden. Und er hatte geschworen, daß ihr kein Leid zugefügt werden würde.
    Aber das, was ich jetzt sah, sprach all seinen Beteuerungen Hohn.
    »Priscylla!«
    Diesmal schrie ich fast. Meine Hände, die auf den dünnen Latten des Rahmens gelegen und so fest zugedrückt hatten, daß das Holz knirschte, wollten sich in ihr Haar graben, aber irgend etwas hielt mich zurück.
    »Robert.«
    Es war kein gesprochenes Wort, keine Stimme; es war wie eine unsichtbare, unwiderstehliche Kraft, die durch die Luft peitschte, mir meinen Namen entgegenschleuderte, meinen Willen brach und mich zurücktaumeln ließ wie durch einen Faustschlag.
    »Robert«, wiederholte die Kraft. Ich schlug die Hände vor die Ohren, keuchte und kämpfte mühsam gegen den Wahnsinn, der seine Finger nach mir ausstreckte.
    »Robert! Hör mir zu!«
    Ich taumelte, griff ziellos in die Luft und wäre fast gestürzt. Das Zimmer begann sich vor meinen Augen zu drehen und verschwamm; einzig den Spiegel und das schmale Mädchengesicht vermochte ich noch klar zu erkennen. Aber es begann sich zu verändern.
    Priscyllas schönes, mädchenhafte Antlitz verzerrte sich zu einer Grimasse des Schreckens, und einen Moment lang fürchtete ich, daß es sich abermals in den grauenhaften Totenschädel verwandeln würde.
    Aber dann fing sie sich; das Bild stabilisierte sich und gewann wieder an Festigkeit, und ihre Mundwinkel

Weitere Kostenlose Bücher