Die Knopfmacherin
dennoch verrichtete er damit die feinsten Arbeiten.
Werde ich je zu solcher Meisterschaft gelangen?, fragte sie sich und blickte wieder auf ihre eigene Arbeit, einen Satz Holzknöpfe, die sie mit Blütenmustern verzieren sollte.
Adam Bruckner, der den Blick seiner Tochter bemerkt hatte, lächelte still in sich hinein. Er erinnerte sich noch gut daran, wie Melisande schon als kleines Kind zu ihm gekommen war, um ihn mit großen Augen bei der Arbeit zu beobachten. Dabei hatte sie abwesend an den Fingernägeln herumgekaut und manchmal nicht einmal bemerkt, wenn die Mutter hinter ihr auftauchte, um sie zurückzuholen. Später dann waren Knöpfe ihr liebstes Spielzeug geworden. Stundenlang saß sie in seiner Werkstatt und legte Mosaike damit. Ihre jüngere Schwester quengelte oft, dass sie mit ihr spielen sollte, doch Melisande war vollkommen versunken in ihre Beschäftigung. Bereits in dem Augenblick hatte Adam gewusst, dass seine Tochter einmal in seine Fußstapfen treten würde.
An ihrem vierzehnten Geburtstag erfüllte er ihr schließlich ihren größten Wunsch und nahm sie als Lehrling in seine Werkstatt auf. Zwar würde sie nie einen Meisterbrief erhalten, aber Bruckner hegte die Hoffnung, dass sie eines Tages das Geschäft an der Seite ihres Ehemannes übernehmen würde.
Den Wunsch nach einem Sohn und Stammhalter hatte er lange schon aufgegeben. Zwei Töchter hatte ihm seine Frau geschenkt, doch nach der Geburt von Alina hatte ihm die Wehmutter geraten, kein weiteres Kind zu zeugen, weil das Leben seines Weibes auf dem Spiel stehe. Da Bruckner seine Marie liebte, war er ihrem Bett fortan ferngeblieben.
Hätte ein Sohn das Handwerk besser lernen können als meine Melisande?, fragte er sich erneut.
Die vergangenen drei Jahre hatten ihm eine deutliche Antwort gegeben. Arbeiten wie das Ausstanzen von Knopfrohlingen mit dem Stanzeisen waren Melisande alsbald zu einfach geworden. Und nach einem Jahr waren die schlichten Holzknöpfe, die sie fertigte, nicht mehr von seinen eigenen zu unterscheiden. Nach und nach hatte sie sich anspruchsvolleren Aufgaben angenommen. So Gott auf meiner Seite ist, dachte er nun, werde ich ihr schon bald die Fertigung einer neuen Art Knöpfe beibringen können.
Bruckner erhob sich und trat hinter Melisande.
Vollkommen in die Arbeit vertieft saß die junge blonde Frau an ihrer Werkbank, vor sich drei fertige Knöpfe, drei Rohlinge und jenen, den sie gerade verzierte. Der Knopfsatz war aus rotem Holz gestanzt und sollte mit feinen Ranken verziert werden. Gewissenhaft ritzte sie das Muster mit einer spitzen Nadel in den wulstigen Rand des Knopfes und betrachtete anschließend zufrieden ihr Werk.
»Du hast wirklich ein Geschick für solch feine Arbeiten.«
Melisande zuckte zwar zusammen, aber ihre Hände blieben ruhig. Nicht schreckhaft zu sein war eine der wichtigsten Fähigkeiten eines Knopfmachers. »Ich danke Euch, Vater.«
Adam nahm einen der fertigen Knöpfe und hielt ihn sich dicht vor die Augen, um alle Feinheiten zu erkennen. Während Melisande ihn abwartend beobachtete, drehte er das Stück hin und her und legte es schließlich zurück.
»Diese Knöpfe werden gewiss einmal das Gewand einer Handwerkersfrau zieren.« Bruckner legte ihr anerkennend die Hand auf die Schulter. »Wenn du dich weiterhin so geschickt anstellst, werde ich dich schon bald Knöpfe aus Messing anfertigen lassen.«
»Das wäre wunderbar!«, platzte Melisande mit leuchtenden Augen heraus. Davon, die Herstellung von Messingknöpfen zu erlernen, träumte sie schon lange. Immer wieder beobachtete sie ihren Vater dabei, wie er heimlich welche herstellte. Noch hatte er keine offizielle Erlaubnis dazu, aber das hielt ihn nicht ab, seine Fähigkeiten zu schulen.
Unter den Knopfmachern war die Verwendung der zulässigen Materialien streng geregelt. Seit Generationen machten die Bruckners Knöpfe aus Horn, Holz, Bein oder Schildpatt, allerdings wurden diese Knöpfe eher von einfachen Leuten und Handwerkern gekauft. Zahlungskräftigere Kunden verlangten nach Messing- oder Zinnknöpfen, manche Damen verzierten ihre Gewänder sogar mit Seidenknöpfen. Aus diesem Grund hatte Bruckner schon vor Wochen seinen Zunftmeister um Erlaubnis gebeten, sein Können dem Messingknopfmachermeister in Speyer vorführen zu dürfen.
Meister Fassbender hatte ihm versichert, sich voll und ganz für ihn einzusetzen, aber bisher warteten sie vergeblich auf Nachricht.
»Melisande, sei so gut und hol uns noch ein paar Kerzen«, bat Adam
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