Die Knopfmacherin
schnitt Wurzeln. Ihre Mutter schob Holz in der Esse nach, dann rührte sie den Inhalt des Kessels um.
»Der Zunftmeister ist gekommen«, durchbrach Melisande die Stille. Beinahe wäre aus ihr herausgeplatzt, was sie gerade belauscht hatte. Aber dann biss sie sich auf die Zunge, denn ihr Vater wollte der Mutter sicher selbst die gute Nachricht bringen. »Vater hat mich geheißen, Brot und Wein für ihn zu holen«, sagte sie stattdessen.
»In früheren Zeiten hat der Zunftmeister auch nach der Gattin des Handwerkers gesehen«, seufzte Marie Bruckner enttäuscht. »Jetzt hat er offenbar keine Zeit mehr dazu.«
»Er bringt Nachrichten aus Speyer. Vielleicht bekommt Vater endlich die Erlaubnis.«
»Wenn das so ist.« Ihre Anspannung verbergend eilte die Mutter in die Vorratskammer und kehrte wenig später mit einem frischen Brotlaib zurück, den sie mit geübten Handgriffen aufschnitt. Anschließend legte sie noch ein Stück Käse zu den fingerdicken Scheiben. Gegenüber dem Zunftmeister wollte sie sich nicht lumpen lassen.
Als sie fertig war, reichte sie Melisande Brot und Käse auf einem Holzbrett. »Bring ihm das mit meinen besten Grüßen.«
Als Melisande in die Werkstatt zurückkehrte, saßen die beiden Männer am Tisch und unterhielten sich angeregt.
»Ihr habt wirklich eine sehr reizende Tochter. Ihr solltet so bald wie möglich einen Gatten für sie suchen. Wie viele Lenze zählt sie mittlerweile?«
»Siebzehn, Meister Fassbender.«
Melisande erstarrte. Warum in aller Welt trachteten alle danach, sie zu verheiraten?
»Wenn ich nicht schon vergeben wäre, würde ich selbst um ihre Hand anhalten.« Der Zunftmeister lachte auf. Ihr Vater sagte nichts dazu. »Im Ernst, Meister Bruckner, Ihr solltet nicht mehr lange warten. Ihr wollt sicher jemanden aus unserer Zunft für sie, nicht wahr? Jemanden, der Euer Geschäft weiterführen oder sogar um eine Zulassung bereichern könnte.«
Ganz gewiss werde ich nicht heiraten, nur damit wir dann Goldknöpfe herstellen dürfen, dachte Melisande trotzig.
»Wenn ich ehrlich bin, will ich meiner Tochter einen Gatten geben, den sie selbst aussucht. Mein Weib und ich haben einander auch ohne das Zutun unserer Eltern erwählt, und unsere Ehe ist glücklich.«
Der Zunftmeister machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das sehe ich anders, Meister Bruckner. Ihr mögt Glück gehabt haben, aber die stabilsten Verbindungen sind jene, die Besitz in die Ehe bringen. Stellt Euch nur vor, was aus Eurer Werkstatt werden könnte, wenn Ihr einen Burschen fändet, der Erbe eines Goldknopfmachers wäre. Der alte Wasmeier hat einen prächtigen Sohn, der nun, da sein Bruder gestorben ist, die Werkstatt einmal übernehmen wird.«
Melisande hatte Mühe, das Brett in ihrer Hand festzuhalten, so rasch kochte der Zorn in ihr hoch. Jedermann in Udenheim wusste, dass der alte Wasmeier nicht nur seine Knechte übel behandelte. Auch seinem eigenen Weib und seinen Töchtern erging es schlecht, wenn ihn wieder die Wut packte. Nicht nur, dass seine Söhne nach ihm geraten waren, sie hatte ganz gewiss nicht vor, sich einem Mann an die Hand geben zu lassen, der solch einen Vater hatte. Was würde er alles mit ihr anstellen, wenn schon sein eigenes Fleisch und Blut derart unter ihm zu leiden hatte?
»Ihr vergesst eines, Zunftmeister«, wandte Bruckner höflich ein. Melisande beruhigte sich wieder, als sie den ablehnenden Tonfall ihres Vaters vernahm. »Der Bursche muss auch Gefallen an meiner Tochter finden. Außerdem glaube ich kaum, dass Meister Wasmeier für seinen Sohn die Tochter eines Holz-, Knochen- und Messingknopfmachers haben will. Sicher hat er bereits eine Patriziertochter auserkoren.«
»Aber bedenkt nur, Eure Werkstatt würde die seines Vaters hervorragend ergänzen«, setzte Fassbender hinzu, der offenbar nicht verstand, was Adam Bruckner ihm sagen wollte. »Außerdem bin ich mit Wasmeier sehr gut bekannt. Ihr könntet in völlig andere Schichten aufsteigen.«
Das reichte! Geräuschvoller, als es angebracht war, trat Melisande durch die Tür. Sofort verebbte das Gespräch, ihr Vater und der Zunftmeister blickten auf.
»Ah, da bist du ja mit dem Mahl, mein Kind!«
Es war mehr als deutlich, dass Bruckner die Unterbrechung sehr willkommen war. Der Zunftmeister dagegen starrte sie an, als hätte er eine frische Ochsenkeule vor sich.
Ein Glück, dass sein Sohn noch zu jung ist, um zu heiraten, dachte Melisande. Sie versuchte ihren Unmut zu unterdrücken und stellte das Brett vor dem
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