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Die Königin der Weißen Rose

Die Königin der Weißen Rose

Titel: Die Königin der Weißen Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Er ist mein George, mein kostbarster Sohn. Ich kann nicht glauben, dass du ihn in den Tod schickst.»
    «Es tut mir leid», sagt Edward grimmig. «Aber ich habe keine Wahl.»
    «Er kann die Todesart wählen?», vergewissert sie sich. «Du wirst ihn nicht dem Scharfrichter überantworten?»
    «Er kann die Art und Weise wählen, aber er muss sterben», antwortet Edward. «Er hat es so weit getrieben, dass es jetzt nur noch heißt: er oder ich. Deswegen muss er sterben.»
    Ohne ein weiteres Wort verlässt sie das Zimmer. Einen Augenblick lang – aber nur einen kurzen – tut sie mir leid.

    George, der Narr, wählt einen Narrentod.
    «Er will in einem Weinfass ertränkt werden.» Anthony, mein Bruder, kommt aus dem Treffen des Kronrates. Ich sitze im Schaukelstuhl in der Kinderstube, Baby George auf dem Arm, und wünsche mir, es wäre alles vorbei – und der Namensvetter meines kleinen Prinzen wäre tot und vergessen.
    «Willst du mich auf den Arm nehmen?»
    «Nein, ich glaube, er versucht, witzig zu sein.»
    «Was will er damit sagen?»
    «Ich nehme an, genau das, was er sagt: Er will in einem Fass Wein ertränkt werden.»
    «Hat er das wirklich gesagt? Will er das wirklich?»
    «Ich komme direkt aus dem Kronrat. Wenn er schon sterben muss, will er in Wein ertrinken.»
    «Der Tod eines Trunkenboldes», sage ich. Ich finde den Gedanken entsetzlich.
    «Vielleicht ist das ein Witz, der sich gegen seinen Bruder richtet.»
    Ich schmiege das Baby an meine Schulter und streichele ihm den Rücken, als wollte ich es abschirmen gegen die Grausamkeit der Welt.
    «Ich kann mir schlimmere Todesarten vorstellen», bemerkt Anthony.
    «Ich kann mir bessere vorstellen. Ich würde mich lieber aufhängen lassen, als in Wein ertränkt zu werden.»
    Er zuckt die Schultern. «Vielleicht glaubt er, er könnte sich auf diese Weise über Edward und das Todesurteil lustig machen. Oder er glaubt, er könnte Edward zwingen, ihm zu vergeben, statt ihn den Tod eines Säufers sterben zu lassen. Oder dass die Kirche einschreitet, es zu einer Verzögerung kommt und er verschont bleibt.»
    «Diesmal nicht», entgegne ich. «Sein Säuferglück istvorbei, er kann genauso gut den Tod eines Trunkenboldes sterben. Wo wollen sie es machen?»
    «In seiner Kammer im Tower.»
    Ich schaudere. «Gott vergib ihm», sage ich leise. «Eine schreckliche Art zu sterben.»

    Der Scharfrichter tut es. Er lässt die Axt stehen, aber er trägt die schwarze Maske. Ein kräftiger Mann mit großen, starken Händen, begleitet von seinem Lehrling. Die beiden rollen ein Fass Malvasier in Georges Kammer, und George, der Narr, lacht mit weit aufgerissenem Mund darüber, als schnappe er schon nach Luft, während sein Gesicht immer blasser wird vor Angst.
    Sie stemmen den Deckel auf und stellen eine Kiste vor das Fass, auf die sich George stellen muss, damit er sich über den Rand beugen kann. Er sieht sein verängstigtes Spiegelbild auf dem schwappenden Wein. Der Dunst des Malvasiers erfüllt den Raum. Er murmelt «Amen» zu den Gebeten des Priesters, als hörte er gar nicht richtig hin.
    Er beugt seinen Kopf über den rubinroten Wein, als legte er ihn auf den Block, und schlürft schnell so viel wie möglich in sich hinein, als wollte er die Gefahr wegtrinken, dann streckt er als Zeichen der Einwilligung die Hände seitlich aus, und die beiden Männer packen ihn an Haar und Kragen und tauchen ihn unter. Seine Füße lösen sich von der Kiste, mit den Beinen macht er Schwimmbewegungen in der Luft. Der Wein schwappt über, so krümmt und windet George sich, um hochzukommen. Während die Luft in würgenden Schreien aus ihm entweicht, ergießt sich der Wein aus dem Fass über die Füße der Männer. Der Priester tritt von der roten Lache zurück und sprichtmit steter und ehrfürchtiger Stimme Gebete für seine Seele. Die beiden Scharfrichter halten den dümmsten Sohn Yorks tief ins Fass getaucht, bis er nicht mehr mit den Armen rudert und die Beine leblos herunterhängen, bis keine Luftblasen mehr aufsteigen und die Kammer riecht wie eine alte Schenke.
    In derselben Nacht stehe ich um Mitternacht aus meiner Schlafstatt im Palast von Westminster auf und gehe in mein Ankleidezimmer. Oben auf dem langen Schrank, in dem meine Pelze verwahrt werden, steht eine kleine Preziosenschatulle. Ich öffne sie. Darin liegt ein altes Silbermedaillon, so angelaufen, dass es schwarz wie Ebenholz ist. Ich öffne den Schnappverschluss und sehe die Ecke des Blatts, abgerissen vom letzten Brief meines

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