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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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»Heißt du Flora von Ungarn?«
    Die Fremde nickte und sank unversehens zu Boden. Vater Gregorius streckte zwar die Arme aus, ließ sie aber dann hilflos wieder fallen und sandte der älteren Frau einen verzweifelten Blick zu. Doch diese hatte bereits einen jungen Mönch herbeigewinkt, der, einen Holzkarren mit Erde hinter sich herziehend, neugierig näher gekommen war.
    »Du kannst hier ab- und wieder aufladen«, erklärte Frau Berta und deutete auf die reglose Figur am Boden. »Und da ich sie nicht allein in den Karren schaffen kann, wirst du mir helfen.«
    »Aber …«, begann der Abt.
    »Ich weiß, ehrwürdiger Vater, den Körper einer Frau dürft ihr nicht berühren, aber der Herrgott hat meines Wissens nichts von Lumpen gesagt. Sofern er überhaupt etwas von eurem Umgang mit Frauen gesagt hat …« Sie bückte sich, hob den Umhang leicht an, der die Gestalt jetzt gänzlich bedeckte, und sagte zu dem jungen Mönch: »Unter Schichten verkrusteten Tuchs mag sich irgendwo der Fuß verbergen, aber vertrau mir, er ist deinem Zugriff entzogen, und du wirst der Sünde nicht näher sein, wenn du mir hilfst, diesen Haufen verfaulter Lappen zu bewegen.« Sonst erzähle ich dem Väterchen Abt noch, weshalb ihr abends so gern am Flußufer lustwandelt, dachte sie grimmig.
    Erst vor einer Woche war wieder eine der angelsächsischen Frauen bei ihr erschienen und hatte um Arbeit im Mürlenbacher Längshaus nachgesucht, ja, sie geradezu angefleht, gegen Speise und Unterkunft dort Altartuch oder Kleidung anfertigen zu dürfen. Spinnen, nähen, färben, weben, sticken, waschen – alles sei ihr lieber, als für Brot, Wein, Bier oder ein paar Münzen weiterhin den Mönchen am Flußufer zu Willen zu sein. Warum sie denn nicht in ihre Heimat zurückkehre, hatte die Klosterstifterin gefragt. Die Frau aus Albion hatte ihr Gesicht verhüllt. Sie könne ihrer Familie nie wieder unter die Augen treten. Als ehrbare Pilgerin habe sie ihr Vaterland verlassen, als Hure werde sie in der Fremde sterben. Frau Berta hatte der Frau, die ganz sicher nicht zum Frondienst geboren war, einen Platz in der Färberei ihres Mürlenbacher Genitiums , der Tuchmacherei, zugewiesen. So geht das nicht weiter! dachte Frau Berta. Ich muß Erzbischof Bonifatius bei seinem nächsten Besuch unbedingt die Not der Frauen aus seiner Heimat schildern. Nein, ich darf gar nicht daran denken, daß er vielleicht sogar mitschuldig an ihrem Los ist. Warum schwärmt er auch vor den Leuten so heftig von Rom! Das führt doch diese unglückseligen Frauen erst auf den Weg ins Verderben! Wie einfältig zu glauben, einer alleinreisenden Frau genüge der Schutz des Herrn, wenn ihr unterwegs so viele Männer begegnen! Diesen Pilgerreisen Einhalt zu gebieten wird dem guten Bonifatius wohl weitaus schwerer fallen, als vor staunenden Heiden eine heilige Eiche zu fällen! Eine Angelsächsin ist diese Flora von Ungarn jedenfalls nicht, dafür ist ihr Latein zu wohlklingend. Und für eine Rompilgerin hat sie sich zu weit nach Norden verirrt und ist viel zu vornehmer Herkunft. Solch gepflegtes Latein spricht man nur in den besten Familien. So wie in meiner. Außerdem würde keine edle Frau ohne erfahrenen Begleitschutz nach Rom ziehen. Allerdings ist mir auch noch keine edle Frau begegnet, die derart abscheulich zugerichtet ist und so erbärmlich stinkt. Daneben ist ja meine Pferdescheune nach dem Bierfest der Knechte ein Hort des Wohlgeruchs! Aber ich finde schon noch heraus, was oder wer sich unter diesen Hüllen verbirgt!
    »Los!« befahl Frau Berta ungeduldig und packte selbst mit an, wo sie die Schultern der weiblichen Gestalt vermutete. Der Mönch kippte die Erde aus, fahndete mit abgewandtem Gesicht nach den Füßen und half, die bewußtlose Frau in den Karren zu heben.
    Vater Gregorius hatte sich inzwischen ohne ein weiteres Wort entfernt. Er mochte zwar der Abt des Klosters sein, aber wenn die Abteistifterin in Prüm weilte, wußte selbst der ergebenste Mönch, wer dann tatsächlich den Ton angab. Was sehr ärgerlich war, da Frau Berta vor zwanzig Jahren ihren Anteil von Prüm und Rommersheim ja eigentlich der Abtei gestiftet hatte. Gut, die Abgaben wurden jetzt ans Kloster entrichtet, aber es lag nun mal nicht in Frau Bertas Natur, sich von etwas Geschenktem auch tatsächlich zu trennen. Wieder einmal ärgerte sich Vater Gregorius, daß sein Vorgänger ihr ein Mitspracherecht bei allen Entscheidungen zugesagt hatte, und daß er selbst einfach zu schwach war, sich dieser

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