Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
Vom Netzwerk:
sagt: »Jetzt haben wir vier Uhr neununddreißig ...«
    Schwester Vigilante, sie hat ein Etui aus unechtem Leder dabei, mit Riemengriff und einer per Druckknopf verschließbaren Klappe, die die Bibel darin schützt. Eine Handtasche nur zu dem Zweck, das Wort Gottes mit sich herumzuschleppen.
    Überall in der Stadt warteten wir auf den Bus. An Straßenkreuzungen, auf Haltestellenbänken, bis Sankt Prolaps vorfuhr. Mr. Whittier ziemlich weit vorn mit Mrs. Clark. Graf Schandmaul. Genossin Snarky und Schwester Vigilante.
    Sankt Prolaps zieht den Hebel, der die Falttür öffnet, und am Bordstein steht die kleine Miss Rotz. Die Ärmel ihres Pullovers vollgestopft mit schmutzigen Papiertaschentüchern. Sie hebt ihren Koffer, und der rattert wie Popcorn in der Mikrowelle. Auf jeder Treppenstufe rattert der Koffer laut wie fernes Maschinengewehrfeuer, und Miss Rotz sieht zu uns hoch und sagt: »Meine Pillen.« Sie schüttelt den Koffer geräuschvoll und sagt: »Vorrat für drei Monate ...«
    Deswegen sollte jeder nur eine bestimmte Menge Gepäck mitnehmen. Damit wir alle reinpassen.
    Die Abmachung lautete: pro Person ein Koffer, aber Mr. Whittier hatte nicht gesagt, wie groß oder was für einer.
    Als Lady Tramp an Bord stieg, trug sie einen Diamantring von der Größe eines Popcornkorns, in der Hand eine Hundeleine, an der Leine ein Lederkoffer auf Rollen.
    Sie schwenkt die Hand, der Ring funkelt, und Lady Tramp sagt: »Das ist mein Mann, eingeäschert und zu einem dreikarätigen Diamanten zusammengepresst...«
    Genossin Snarky beugt sich über den Notizblock, in den Graf Schandmaul schreibt, und sagt: » Facelifting in einem Wort. «
    Ein paar Straßen weiter, ein paar Ampeln und Kreuzungen weiter, wartet der Killerkoch, er trägt einen Alukoffer, in dem sich, wie von der Hand eines Origami-Meisters zu Quadraten gefaltet, seine weißen Unterhosen, T-Shirts und Socken befinden. Außerdem ein Set Küchenmesser. Darunter eine dicke Lage fest gebündelter Hundertdollarscheine. Der ganze Alukoffer so schwer, dass er ihn mit beiden Händen in den Bus wuchten muss.
    Der Bus fuhr weiter, unter einer Brücke durch und um einen Park herum, und hielt an einer Stelle, wo niemand zu warten schien. Dann aber trat der Mann, den wir Missing Link nannten, aus dem Gebüsch. Er hatte einen prallen schwarzen Müllsack in den Armen, mehrfach aufgeplatzt, so dass die karierten Flanellhemden darin zu sehen waren.
    Genossin Snarky, ohne den Blick von Missing Link abzuwenden, sagt zu Graf Schandmaul: »Sein Bart sieht aus wie etwas, das Hemingway zur Jagd freigegeben hätte ...«
    Die Träumenden, sie würden uns für verrückt halten. Die jetzt noch im Bett lagen, sie schliefen noch eine Stunde, dann wuschen sie sich das Gesicht, unter den Achseln und zwischen den Beinen, bevor sie wie jeden Tag zur Arbeit gingen. Immer dieselbe Arbeit, dasselbe Leben, jeden Tag.
    Die Leute würden Tränen vergießen, wenn sie unser Verschwinden bemerkten, aber sie würden auch Tränen vergießen, wenn wir an Bord eines Schiffes gingen, um irgendwo an einem fernen Ufer ein neues Leben zu beginnen. Auswandern. Pioniere.
    An diesem Morgen waren wir Astronauten. Entdecker. Wach, während sie schliefen.
    Die Leute würden Tränen vergießen, dann aber würden sie wieder kellnern, Häuser anstreichen, Computer programmieren.
    Als Sankt Prolaps beim nächsten Halt die Tür aufmachte, sprang eine Katze die Stufen hinauf und rannte durch den Gang zwischen den Sitzen. Der Katze folgte Direktorin Dementi und sagte: »Er heißt Cora.« Der Name der Katze war Cora Reynolds. »Der Name stammt nicht von mir«, sagte Direktorin Dementi, Rock und Tweedblazer voller Katzenhaare. Ein Revers stark ausgewölbt.
    »Ein Schulterhalfter«, sagt Genossin Snarky, dicht über das Diktiergerät in der Hemdtasche von Graf Schandmaul gebeugt.
    All dies - im Dunkeln flüstern, Nachrichten hinterlassen, Heimlichtuerei - war unser Abenteuer.
    Wenn du vorhättest, für drei Monate auf einer einsamen Insel zu stranden: Was würdest du mitnehmen?
    Sagen wir, für Essen und Wasser wäre ausreichend gesorgt, oder jedenfalls würdest du davon ausgehen.
    Sagen wir, du darfst nur einen Koffer mitnehmen, weil ihr ziemlich viele sein werdet und der Bus, der euch zu der einsamen Insel bringt, nur so und so groß ist.
    Was würdest du in deinen Koffer packen?
    Sankt Prolaps hat Schachteln mit Speckchips und Käseflips mitgenommen, Finger und Kinn schon gelbrot von der Gewürzmischung. Eine knochige Hand am

Weitere Kostenlose Bücher