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Die Kraft der Stille. Neue Lehren des Don Juan

Die Kraft der Stille. Neue Lehren des Don Juan

Titel: Die Kraft der Stille. Neue Lehren des Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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schwiegen. Der Wind trieb die Wolken dahin. Von ihrer Bewegung wurde mir beinah schwindlig. Und der Schwindel schlug plötzlich um in ein vertrautes Gefühl der Angst.
    Jedesmal, wenn ich mit Don Juan zusammen war, besonders in Augenblicken der Ruhe und Stille, empfand ich ein überwältigendes Gefühl der Verzweiflung - die Sehnsucht nach etwas, das ich nicht näher beschreiben konnte. Wenn ich allein war oder mit anderen Leuten zusammen, fiel ich niemals diesem Gefühl zum Opfer. Don Juan hatte mir erklärt, daß das, was ich empfand und als Sehnsucht deutete, in Wirklichkeit eine plötzliche Bewegung meines Montagepunktes war.
    Als Don Juan zu sprechen anfing, schockierte mich der Klang seiner Stimme ganz plötzlich, und ich richtete mich auf.
    »Du mußt dich darauf besinnen, wie deine Augen zum erstenmal leuchteten«, sagte er. »Denn dies war das erste Mal, daß dein Montagepunkt den Platz ohne Erbarmen erreichte. Die Rücksichtslosigkeit ergriff Besitz von dir. Die Skrupellosigkeit läßt die Augen der Zauberer leuchten, und dieses Leuchten winkt die Absicht herbei. Jede Stelle, an die der Montagepunkt sich bewegt, wird durch ein bestimmtes Leuchten ihrer Augen angedeutet. Weil ihre Augen eine eigene Erinnerung haben, können sie sich jede Stelle ins Gedächtnis rufen, indem sie das besondere, mit dieser Stelle verbundene Leuchten hervorrufen.«
    Die Zauberer, erklärte er, legen dem Leuchten ihrer Augen und ihrem Blick deshalb so viel Bedeutung bei, weil die Augen direkt mit der Absicht verbunden sind. Es mag widersprüchlich klingen, doch die Wahrheit ist, daß die Augen nur oberflächlich mit der Alltagswelt verbunden sind. Im tieferen Sinne sind sie mit dem Abstrakten verbunden. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie meine Augen solche Informationen speichern sollten, und dies sagte ich ihm. Don Juan antwortete, die Möglichkeiten des Menschen seien so vielfältig und geheimnisvoll, daß die Zauberer beschlossen hätten, sie zu erforschen - ohne Hoffnung, sie jemals zu verstehen. Ich fragte ihn, ob auch die Augen eines Durchschnittsmenschen durch die Absicht beeinflußt sind.
    »Natürlich!« rief er. »Das weißt du ganz gut. Aber du weißt es auf einer so tiefen Ebene, daß es ein stilles Wissen ist. Du hast nicht genug Energie, um es zu erklären - nicht einmal dir selbst.
    Auch der Durchschnittsmensch weiß um diese Eigenschaft seiner Augen, aber er hat noch weniger Energie als du. Der einzige Vorteil, den Zauberer vielleicht vor Durchschnittsmenschen haben, ist, daß sie ihre Energie gespeichert haben - und das bedeutet, sie haben ein präziseres, klareres Bindeglied zur Absicht. Natürlich bedeutet es auch, daß sie sich willentlich rückbesinnen können, indem sie das Leuchten ihrer Augen benutzen, um ihren Montagepunkt zu bewegen.«
    Don Juan unterbrach sich und fixierte mich mit starrem Blick. Ich spürte ganz deutlich, wie seine Augen irgend etwas Unbestimmtes in mir zogen und schoben. Ich konnte mich nicht von seinem Blick losreißen. Seine Konzentration war so intensiv, daß sie tatsächlich eine körperliche Empfindung in mir auslöste: Ich fühlte mich, als wäre ich in einem Feuerofen. Und ganz plötzlich blickte ich nach innen. Es war ein Gefühl, ganz ähnlich, als bewegte ich mich in einer geistesabwesenden Träumerei, verbunden jedoch mit dem sonderbaren Gefühl einer intensiven Bewußtheit meiner selbst und einem Fehlen jeglicher Gedanken. Herrlich bewußt, blickte ich nach innen, in das Nichts.
    Mit riesiger Anstrengung riß ich mich daraus empor und stand auf.
    »Was hast du mit mir gemacht, Don Juan?«
    »Manchmal bist du absolut unerträglich«, sagte er. »Deine Verschwendung ist empörend. Dein Montagepunkt war eben an einer höchst vorteilhaften Stelle, wo du dich auf alles besinnen konntest, was du nur wolltest - und was hast du getan? Du hast alles fahren lassen, nur um mich zu fragen, was ich mit dir gemacht habe.« Er schwieg eine Weile, und dann lächelte er, während ich mich wieder setzte.
    »Aber daß du so langweilig bist, ist einer deiner größten Vorzüge«, fügte er hinzu. »Also, warum beklage ich mich?«
    Wir beide brachen in lautes Lachen aus. Es war ein stehender Witz zwischen uns.
    Vor Jahren einmal war ich sehr gerührt und auch sehr verwirrt gewesen über die ungeheure Hingabe, mit der Don Juan mir zu helfen versuchte. Ich konnte mir nicht vorstellen, warum er mir solche Freundlichkeit zeigte. Es war klar, daß er mich keineswegs brauchte in seinem Leben. Ganz

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