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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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Entwicklungen im religiösen Denken insgesamt angepasst, etwa an die Vorstellungen von Mission und Bekehrung als Möglichkeiten, nichtchristliche Gegner zu überwinden. Insgesamt waren die Unternehmungen der Kreuzfahrer mit der Aufgabe, das Heilige Land zu verteidigen oder zurückzuerobern, nur schlecht zu vereinbaren. Um zu überleben, waren die Kreuzfahrerstaaten unbedingt auf militärische Unterstützung von außen angewiesen; was sie allerdings gebraucht hätten, war ein stehendes (oder zumindest über längere Zeit anwesendes) Heer gut ausgebildeter, gehorsamer Soldaten. Die Kreuzzüge brachten aber in den meisten Fällen eher kurzfristigen Zustrom massiver Truppenverbände, die oft in ihrem kriegerischen Potential durch nicht kämpfende Teilnehmer geschwächt waren und von unabhängigen Potentaten angeführt wurden, denen es um ihre je eigenen Ziele ging.
    Es kann nicht überraschen, dass die Bedürfnisse Outremers durch die Kreuzzugsbewegung nicht erfüllt werden konnten, denn diese Form des heiligen Krieges war nicht speziell zur Erfüllung dieser Bedürfnisse entworfen worden. Vielmehr war die Teilnahme an einem Kreuzzug auf einer elementaren Ebene eine freiwillige, persönliche Form der Buße. Die Teilnehmer wollten vielleicht ein vorgegebenes Ziel verfolgen – die Eroberung eines bestimmten Ortes oder die Verteidigung einer Region. Sie hatten möglicherweise auch die Vorstellung, dass sie Gott einen Dienst erwiesen, den sie ihm schuldeten; dass sie ihren Mitchristen zu Hilfe kamen, ja vielleicht sogar Jesus Christus auf seinem Weg des Leidens und der Schmerzen folgten. Im Innersten des Kreuzzugsimpulses jedoch [709] wirkte das Versprechen individueller Rettung: die Zusicherung, dass die Strafe für gebeichtete Sünden durch die Teilnahme an einem bewaffneten Pilgerzug aufgehoben werden konnte. Darin bestand der überwältigende Reiz eines Kreuzzugs: Er konnte den Makel der Übertretung tilgen und einen Ausweg aus der Verdammnis eröffnen. Und deshalb nahmen im Mittelalter Hunderttausende das Kreuz.
    Die fiebrige Frömmigkeit im Umfeld der meisten Kreuzzugsunternehmungen konnte bei den Teilnehmern ein Gemeinschaftsgefühl und eine unvergleichliche Zielstrebigkeit aufkommen lassen, die sie zu unglaublichen kriegerischen Leistungen befähigten. Nur in diesem sicheren Bewusstsein, den Willen Gottes zu tun und ein frommes Werk zu vollbringen, konnten die Gefolgsleute Ludwigs IX. die Schlacht bei Mansourah überleben, konnten die Teilnehmer des dritten Kreuzzugs die fürchterliche Belagerung von Akkon durchstehen; nur so war es den Franken möglich, bei ihrem Sturm auf Jerusalem im Jahr 1099 ihre vollständige Auslöschung zu riskieren. In ihrem glühenden Enthusiasmus wurden die Kreuzfahrer mit scheinbar unüberwindlichen Hindernissen fertig, aber immer wieder zeigte sich auch, dass diese Leidenschaft letztlich völlig unkontrollierbar war. Die Kreuzzugsheere setzten sich aus Tausenden Individuen zusammen, und jedem Einzelnen ging es eigentlich um nichts anderes als um den je eigenen Weg zur Erlösung. Daher konnten sie nicht wie andere, konventionelle militärische Einheiten geführt oder gesteuert werden. Das bekam während des ersten Kreuzzugs Raimund von Toulouse bei Marrat und dann wieder bei Arqa zu spüren; und auch Richard Löwenherz machte diese Erfahrung, als er zweimal vor den Mauern Jerusalems wieder umkehrte. Wahrscheinlich hat kein christlicher König oder Befehlshaber je wirklich verstanden, wie die Schlagkraft eines Kreuzfahrerheers nutzbar zu machen war.
    Im Lauf des 13. Jahrhunderts bemühten sich Päpste wie Innozenz III., die Kreuzzugsbewegung unter Kontrolle zu bekommen, indem sie vermehrt Regeln einführten, um den heiligen Krieg in eine Institution von kontrollierbarer Effizienz zu verwandeln. Nun sahen sie sich allerdings mit der Schattenseite der Kreuzzugsidee konfrontiert: Wie war der inbrünstige Furor zu bändigen, ohne dass das Feuer erstickt wurde, aus dem die Stärke dieser heiligen Feldzüge herrührte? Auch ihnen gelang es nicht, eine praktikable Formel zu finden, und als dann schließlich Ideen aufkamen, wie die gesamte Basis der Kreuzzugsbewegung neu zu strukturieren [710] sei – etwa durch Berufstruppen, die auf längere Dauer im Vorderen Orient stationiert waren –, da war es zu spät für solche Neuerungen; sie stießen auf nur mehr verhaltene Resonanz.
    Einige Historiker sind der Meinung, dass die Christen im Krieg um das Heilige Land besiegt wurden, weil nach 1200 der

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