Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier
Corenn diese Niederschrift anfertigte, hat sie ihr etwas sehr Persönliches anvertraut … Anscheinend seid Ihr im Jal’dara gezeugt worden. Deshalb seid Ihr nicht wie andere Menschen.«
»Das ist doch absurd!«, unterbrach ihn Eryne, auch wenn es ihr nicht gelang, ihre Erschütterung zu verbergen. »Und selbst wenn es wahr wäre! Wo soll da ein Unterschied sein? Ich lebe, atme und empfinde Schmerzen wie jeder andere!«
»Gewiss, aber vielleicht habt Ihr trotzdem die eine oder andere unerklärliche Fähigkeit«, fuhr Amanon fort. »Wie die, Stimmen zu hören, zum Beispiel.«
Abermals trat Schweigen ein, während sich Eryne die Schläfen rieb und den Kopf schüttelte. Das Gewitter schien weitergezogen zu sein. Der Regen wurde bereits schwächer, auch wenn der Himmel immer noch düster war.
»Diese Stimmen, die du gehört hast … Klangen sie so wie Caels?«, fragte Bowbaq arglos.
Alle wandten sich dem Jungen zu, der genauso verblüfft war wie seine Gefährten. Woher wusste Bowbaq von seinem Geheimnis?
Und warum musste er ihn vor den anderen bloßstellen?
»Cael hört Stimmen?«, fragte Nolan neugierig.
»Ich … Es kommt manchmal vor, dass ich mit mir selbst rede«, stammelte Cael. »Aber das ist etwas ganz anderes als das, was Eryne erlebt hat. Es ist nur
eine
Stimme, und sie ist in meinem Kopf, seit ich denken kann.«
»Aber … Hat es dir denn niemand erklärt?«, sagte Bowbaq erstaunt. »Mano … Spricht Corenn in ihrem Tagebuch nicht davon? Und ich dachte, ihr wüsstet …«
Er verstummte abrupt. Zu spät begriff er, dass er zu viel gesagt hatte. Cael saß da wie vom Donner gerührt. Er brannte darauf, endlich die Wahrheit zu erfahren.
»Ich wollte eigentlich den passenden Moment abwarten«, sagte Amanon seufzend. »Tatsächlich spricht meine Mutter im letzten Heft ihres Tagebuchs von dir. Aber solange wir nicht mehr wissen …«
»Rückt Ihr jetzt endlich mit der Sprache heraus oder nicht?«, brauste Eryne auf.
Amanon nickte traurig und sah Cael in die Augen.
»Anscheinend hast du vom Tag deiner Geburt an furchtbar geschrien. Und zwar pausenlos. Deinen und meinen Eltern gelang es einfach nicht, herauszufinden, was mit dir los war. So ging es mondelang. Erst als Leti dir eines Tages den Anhänger auf den Bauch legte, wurdest du still.«
»Und was bedeutet das?«, fragte Cael, der wie gelähmt war.
Amanon musste sich räuspern, um fortfahren zu können.
»Corenn glaubt, dass du in all diesen Dekaden und auch vor deiner Geburt von Sombre heimgesucht wurdest. Er drang in deine Gedanken ein, so wie Saat es bei ihm getan hatte.«
Cael wollte protestieren, aufspringen und einen Wutanfall bekommen, der einer Eryne von Kercyan würdig gewesen wäre, aber er konnte sich weder rühren noch den Mund aufmachen. Amanons Enthüllung überstieg seine schlimmsten Befürchtungen. Und seine Eltern hatten die ganze Zeit davon gewusst.
»Aber was …«, begann Nolan. »Wie … Geht es ihm gut? Eigentlich dürfte er die Stimme dann jetzt nicht mehr hören, oder?«
»Eigentlich nicht, nein. Aber wir wissen nicht, welchen Plan Sombre verfolgte. Na ja, jedenfalls ist er damit gescheitert!«, fügte Amanon hinzu, um seinen Cousin aufzumuntern. »Solange du deinen Anhänger trägst, Cael, bist du vor ihm sicher. So wie wir.«
Der Junge erwiderte sein Lächeln nicht, sondern starrte Amanon und die anderen finster an. Er fühlte sich verraten.
Verdorben.
Als Niss plötzlich einen gellenden Schrei ausstieß, fuhren alle zusammen. Sie zeigte auf das Bullauge, das sie seit geraumer Zeit anstarrte. Dahinter war nichts zu sehen. Nichts als Regentropfen, die an der Scheibe hinabrannen.
An Deck der
Rubikant
erklangen Schritte.
Mehrere Männer rannten über die Planken.
Als sie sich vom ersten Schreck erholt hatten, griffen die Gefährten zu den Waffen. Keb rannte mit seiner Lowa die Treppe hinauf, und Amanon folgte ihm auf dem Fuß, das Krummschwert in der Hand. Bowbaq stieß beinahe die Bank um, als er seine Kaute packte. Nolan geriet ins Hintertreffen, weil er erst zu seiner Koje laufen und nach dem Stockdegen seines Vaters suchen musste. Selbst Cael war schneller, er stürzte mit gezücktem Rapier zur Treppe. Eryne drückte Niss an sich.
»Du bleibst hier!«, rief Nolan Cael zu.
Er hatte nicht lange überlegt, fand aber einfach, dass sich der Junge nicht in Gefahr bringen sollte. Ihm selbst war angst und bange, obwohl er wesentlich älter war. Von oben ertönten schon Kampfgeräusche, und während Nolan die Treppe
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