Öl-Connection
Maringo
Der Koloß, zweihundertvierzig Meter lang, zog seine Spur durch den westlichen Atlantik. Nur am Heck ragte die Brücke über die dreißig Meter hohe Bordwand hinaus. Das ganze Schiff war von Rostflecken übersät. Auch bei mittlerer Fahrt schlugen die Wellen gegen die hohe, rostige Bordwand. Es war, als töne aus dem stählernen Leib der Klang eines Hammers, der auf poröses Eisen trifft.
Windstärke zwei … ungewöhnlich für diese Gegend des Atlantik, und auch für Kapitän Teo Fransakiris war's ein Wetter, das er gerade heute zum Teufel wünschte. Jeder andere hätte den unendlichen Sternenhimmel und die helle Nacht bewundert, doch Kapitän Fransakiris hatte keinen Blick für die überwältigende Schönheit, wie man sie sonst nur im Südchinesischen Meer oder in der Südsee erlebt. Fransakiris stand auf der Brücke, kaute an dem Mundstück seiner Pfeife, hatte die Kapitänsmütze in den Nacken geschoben und trommelte mit den Fingern der linken Hand nervös auf das Glas eines Anzeigeinstrumentes. Neben ihm lehnte an der Rückwand der Brücke Lorenz Aperl, von der Besatzung nur ›Perlarsch‹ genannt. Er war der Erste Offizier dieses schwimmenden Riesen, der auf den Namen Maringo getauft war. Ein Supertanker, der bis zu 250.000 Tonnen Öl fassen konnte und dessen Schiffswand dann nur noch zehn Meter aus dem Wasser ragte.
»Verdammt!« sagte Kapitän Fransakiris und zog kräftig an seiner alten Pfeife, von der er sich nie trennte. »Sieh dir das an. Glatt wie in einem Suppenteller. Und gleich ist es ein Uhr nachts und die Küste fünfzig Meilen entfernt. Ich kann nicht mehr warten!«
»Wovor haben Sie Angst, Herr Kapitän?«
»Angst? Ein Fransakiris hat noch nie Angst gehabt. Aber wenn morgen oder übermorgen der Wind auf Westen dreht, schwappt die ganze Scheiße an Land.«
»Übermorgen liegen wir längst im Hafen von Monrovia. Wer kann denn nachweisen, daß die Rückstände von uns stammen? Fünfundzwanzig Meilen weiter ist die Hauptschiffsfahrtsstraße, da lassen hunderte von Schiffen ihre Abfälle ab.« Lorenz Aperl machte drei Schritte nach vorn und stellte sich neben Fransakiris. »Hier hört und sieht uns keiner, wir stehen abseits, wir fahren ohne Lichter, sind in internationalen Gewässern, weit entfernt von einer Seeüberwachung wie in den USA oder an den Nordseeküsten …«
»Lorenz! Wie lange fährst du jetzt zur See?«
»Sechzehn Jahre, Herr Kapitän. Aber zum ersten Mal auf einem Tanker. Und das ist sicher: Auch zum letzten Mal.«
»Und du hast noch nie Ölschlamm oder Bilgewasser heimlich abgelassen?«
»Auf den Fracht- und Containerschiffen …« Aperl zögerte eine Sekunde … »ja, da schon. Aber das waren kleine Mengen im Vergleich zu dem, was die Maringo mit sich schleppt. Wir werden einen Ölteppich hinterlassen …«
»Was hast du gegen Teppiche?« Fransakiris nuckelte an seiner Pfeife und blickte dabei ungeduldig auf die Uhr. »Ein Teppich ist die Zier eines jeden Zimmers. Ein guter Teppich kostet eine Menge Geld. Wir verschönen die Meere mit unseren Teppichen, und das sogar umsonst. Hast du mal gesehen, wie das aussieht, wenn die Sonne auf solch einen Teppich scheint? Da leuchten die schönsten Farben, von Schwarz über Blau bis zu einem satten Grün, und es glitzert sogar …«
»Mehr Zynismus ist kaum möglich.« Aperl schob die dicke Glastür zur Seite und trat hinaus auf die Brückennock. Fransakiris folgte ihm … eine sanfte, warme Nacht. Es war nicht anzunehmen, daß in ein oder zwei Tagen ein stärkerer Wind aufkam.
»Es bleibt mir keine Wahl. Die Ballasttanks sind gefüllt. Die Öltanks müssen sauber sein, wenn wir in Monrovia einlaufen. Die Ölschlammtanks müssen entleert werden, aber dort gibt es keine Auffanganlagen. Das weißt du doch alles, Lorenz.«
»Mir wird übel bei dem Gedanken, was wir lenzen wollen.«
»Außerdem ist es ein Befehl der Reederei.«
»Wie bitte?« Aperl fuhr herum. »Die Reederei befiehlt uns, bewußt einen Ölteppich ins Meer zu leiten? Das ist nicht wahr!«
Fransakiris lehnte sich gegen die Schanz der Brückennock. Sie war, wie vieles auf der Maringo, total verrostet. »Reg dich nicht auf, Junge«, sagte er und klopfte seine Pfeife an der Reling aus. Er pustete durch das zerkaute Mundstück und steckte das geliebte Stück in seinen dunkelblauen Rock. Fransakiris war einer jener Kapitäne, die auch auf einem Tanker nie auf ihre Uniform verzichteten. Auch legte er Wert darauf, im Dienst, also auf Fahrt, korrekt mit Herr
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