Die Krieger von Gordolon (German Edition)
Osten und Westen und das Donnern und Rauschen einer fernen Brandung war zu vernehmen. In der Burg jedoch selbst arbeiteten Menschen an Schmelzöfen und Waffenschmieden und die Luft war erfüllt von Verbranntem und der beißenden Kälte, die trotz des wärmer werdenden Klimas im Süden allumfassend war. Der Atem der Leute kondensierte und überall liefen Ritter oder Bauern umher, die sich vor etwas Unsichtbaren in Sicherheit zu bringen schienen. Tatsächlich bereiteten sich alle auf den nahen Angriff aus dem Osten vor. Keiner wusste, was eigentlich los war. Af Geheiß seines Hofzauberers hatte der König alle nur erdenklichen Vorkehrungen treffen lassen, um einem drohenden Ansturm auf die Burg Stand zu halten.
Josias Kajetan, der Truppführer, stieg mit Schwung von seinem stämmigen Gaul ab und stolzierte auf das bewachte Eingangstor der Herrenburg zu. Der Bergfried war riesig und nahm allein schon den größten Teil der Burg ein. Hohe Buntglasfenster in jedem Stock ließ es majestätisch und eindrucksvoll wirken, denn trotz der gesamten Komplexität war der Teil der Feste mit feinen Verzierungen ausgearbeitet. Komplizierte Muster reihten sich hier neben Verschnörkelungen und Puttenfiguren. Ein Anblick, der auf die meisten verrückt und größenwahnsinnig wirken mochte. Erst kreuzten die Wachen die Lanzen vor ihm, funkelnde Spieße im Schatten des Frieds, doch mit einer Handbewegung des Festungstorwächters - dessen Rüstung nicht minderschön war, als die der anderen Bediensteten(ganz aus poliertem Silber mit Schnallen aus schwarzem Leder) - nickten die Wachen stumm und ließen Josias schließlich hindurch. Kajetan war ein sehr muskulöser Mann mit einer Hakennase und einem hungrigen Blick, der allen auf makabere Art in die Glieder zu fahren schien. Das Haar hatte er kurzgehalten und gekämmt, nur am Hinterkopf hing ihm ein langer, silberweißer Zopf vom Haupt, der von seiner Stärke und Autorität zeugte, mit der er an jede Sache heranging. Seine Kleidung bestand aus oft geflickten Lederteilen, mit silbernen Stickereien verzierten Handschuhen, einem Oberschenkelschutz, sowie wärmenden Schulterpolstern aus Wolfsfell.
Seine schweren, mit Eisen beschlagene Lederstiefel hallten donnernd auf dem marmornen Boden des Sales. Durch spitz zulaufende Fenster aus Buntglas drang ein gedämpfter Lichtschein und dort, wo das Licht nicht hinfiel, waren Kerzen angezündet. Am Ende des Raumes befand sich eine steile Treppe, die sich nach ein paar Yard zu einer Wendeltreppe wandelte. Das Breitschwert, welches in einer dunklen Schwertscheide auf seinem Rücken gesteckt war, schwenkte bei jedem anstrengendem Schritt zur einen oder anderen Seite. Es war nun mal nicht leicht mit so einer schweren Panzerung Treppen zu steigen. Und noch dazu kam, dass die Last von Schuld ihn nahezu erdrücken schien. Wenn er noch einen Auftrage bekam, in dem er Menschen töten musste, würde er zum Tier werden, schwor er sich. Schon allein bei dem Gedanken daran, wieder Kinder verbrennen zu müssen, ließ die Galle in ihm hochsteigen. Bereits spürte er ihren bittren Geschmack auf der Zunge. Er schluckte alles einfach hinunter, so wie er es immer getan hatte. In den vielen Jahren hatte Sorge seine Stirn zerfurcht und das Atmen fiel ihm von Mal zu Mal schwerer, doch er durfte nicht nachgeben, durfte sich nicht von dem Strom tragen lassen! Er musste ein Fels in der Brandung sein, diszipliniert und niemals zu fällen. Dann war da plötzlich eine Eingebung. Er kannte diese Treppe, diese Art von Stein, diese... Er fuhr mit der Hand über ein Fenstersims und Staub blieb an seinen Fingern heften. ...Atmosphäre... Einige Zeit betrachtete er seine Fingerspitzen fassungslos. Dieser einfache Dreck rief eine Kakophonie von Bildern und Entfindungen in ihm auf, wie er es noch nie bei der Betrachtung eines Gegenstandes erlebt hatte. Er erinnerte sich an eine verschwommene Welt, an ein Bild, das in seiner eigenen Phantasie entstanden zu sein schien.
Er fühlte es genau, er musste schon einmal hier gewesen sein. Die Gänge und Tunnel schienen ihm alle so bekannt, dass er glaubte, hier sein ganzes Leben verbracht zu haben. Vielleicht, dachte Josias, könnte ihm der König Auskunft über dieses vertraute Gefühl geben. Da bedrängte ihn plötzlich eine weitaus wichtigerer Frage, was die Sicherheit des Königs anging: Warum befanden sich hier keine Wachen? Für Meuchelmörder und Diebe wäre es ein Leichtes hier ungesehen hereinzuschlüpfen, und den Burgherrn
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