Die Krone von Camelot
getrunken?«
»Ich hab’s dir doch gesagt. Nicht mehr als ein oder zwei Schluck. Genug, um die Kälte zu fühlen, aber nicht genug, daß es mir schaden könnte. Bleib weg.« Ich blieb mitten auf dem Fußboden stehen. »Für heute abend habe ich genug von deiner Zärtlichkeit, my Lady.«
»Artus«, sagte ich. Die Tränen, die ich früher am Abend beherrscht hatte, sprangen jetzt in meine Augen. Ich konnte sie nicht mehr aufhalten. »Artus, verzeih. Darum kann ich dich nicht bitten. Es tut mir leid. Ich wünschte, ich hätte den Becher ausgetrunken. Du frierst - bitte, laß mich helfen. Oh, es war böse, das weiß ich ja. Nur, bitte. du weißt, daß ich dich liebe.«
Er antwortete nicht. Er wandte sich ab, verkrampfte seine verletzten Hände und zitterte noch immer. »Geh schlafen«, befahl er mir mit grober Stimme. »Wir dürfen ihnen auch nicht den kleinsten Fetzen einer Bestätigung dieser Geschichte geben. Medraut mag andeuten, daß ich das Gift nicht getrunken habe, aber wir werden ihm keinen Beweis dafür liefern. Geh zu Bett. Gott, ich wünschte, ich hätte alles getrunken. Die Welt wäre dann sehr viel leichter zu ertragen. Geh schlafen! Und um Gottes willen, hör auf zu weinen.«
Ich entkleidete mich schweigend und schluckte die Tränen. Erst, als ich ins Bett geklettert war, wandte er sich zu mir um, löschte die Lampe, zog die Stiefel aus und stieg neben mir hinein, noch immer voll bekleidet. Er lag da, den Rücken mir zugewandt, und zitterte, und ich schaute hinauf zum Strohdach und versuchte, nicht zu weinen. Die Nachtstunden krochen langsamer vorüber, als Segel am fernen Horizont der Welt entlangkriechen, und langsamer als ein Wurm, der über die Blätter einer Rose kriecht.
Nach einer Ewigkeit des Elends schätzte ich nach Artus’ Atem, daß er schlief. Ich glitt nah an ihn heran, legte meine Arme um ihn, um ihn zu wärmen. Im Schlaf zog er sich nicht vor mir zurück, sondern preßte seinen Kopf an meine Schulter. Aber als die graue Dämmerung unter den Balken hereindrang und als ich anfing, endlich einzudösen, da wachte Artus auf, schleuderte meine Arme weg und stampfte nach draußen in den Tag. Ich rollte mich in dem leeren Bett zusammen, den Kopf an die Knie gelehnt, und weinte, weinte bitterlich. Denn ich hatte Artus weh getan, obwohl niemand anderer ihn trösten konnte, ich hatte meinen Anspruch auf seine Liebe und die Erlösung meiner Seele verloren, und ich hatte trotzdem nichts gewonnen.
4
Ich war entschlossen, mich am Tag nach dem Fest genauso zu benehmen wie gewöhnlich, denn alles andere hätte neuen Gerüchten Nahrung gegeben. Deshalb hielt ich mich an den Plan, den ich gemacht hatte, und verließ das Haus am Vormittag, um mit ein paar freien Bauern der Burg über die Ernte zu sprechen, die in den umliegenden Feldern heranwuchs. Ich ließ Gwyn rufen, damit er die Kornmengen niederschrieb, die die Bauern erwarteten. Der Junge war besorgt, unaufmerksam und bekümmert während der ganzen Angelegenheit, und ich benahm mich wahrscheinlich nicht viel besser. Den ganzen Tag hatte ich böse Kopfschmerzen - das kam vom zu vielen Weinen. Aber ich hatte lange Jahre der Erfahrung hinter mir, die Gwyn fehlten. Ich mußte nicht lange nachdenken, um all die angemessenen Fragen zu stellen und all die angemessenen Glückwünsche und Beileidsbezeugungen auszusprechen. Ich hab’ vielleicht sogar die Bauern angelächelt, obwohl mein Herz weit entfernt war von solch einem maskenartigen Lächeln.
Ich beendete das Geschäft mit den Freibauern und entließ sie wie auch Gwyn. Ich trug dem Jungen auf, von der erwarteten Kornmenge dieser Ernte eine Reinschrift zu machen und sie in eins von meinen Rechnungsbüchern zu legen. Die Bauern verbeugten sich und gingen in einer Reihe davon, aber Gwyn zögerte. Er fing an, auch wegzugehen, drehte sich dann aber um und rannte zurück. Neben meinem Stuhl fiel er auf die Knie nieder und ergriff meine Hand.
»Es war eine ekelhafte Lüge, edle Dame, und niemand, der Verstand besitzt, hat sie geglaubt«, sagte er mir wild. »Und alle erwarten, daß Medraut angeklagt wird, die kaiserliche Majestät zu verleumden, und daß man ihn verbannt. Wird er ins Exil geschickt werden?«
»Der Kaiser wird ihn wahrscheinlich aus Camlann entlassen«, sagte ich stoisch, und dann, während ich mir ein ziemlich vages Lächeln abzwang, »danke, Gwyn.«
Er preßte meine Hand an seine Stirn und ging dann weg, während er seine Wachstafel schwang und wild die Stirn runzelte. Bei seinem
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