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Die Küsten der Vergangenheit

Die Küsten der Vergangenheit

Titel: Die Küsten der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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Haifischflosse interessierte ihn. Schwer vorzustellen, was es war oder wie es auf das Land gekommen war, das sich seit mehr als sechzig Jahren im Besitz von Laskers Familie befand. Wichtiger noch, sie bedeutete im Augenblick ein Rätsel, das Tom Lasker vorübergehend ein wenig enger mit seinem Sohn Will verband.
    Wie tief mochte der Stab reichen? Lasker maß ein paar Fuß in einer geraden Linie vom Eintrittspunkt ab und fing auf seine methodische Art an zu graben. Will half ihm, und nach einer Weile stießen sie auf Metall. Der Stab war wenigstens sechs Fuß lang. Sie gruben weiter, bis es für Will Zeit wurde, zur Schule zu gehen. Lasker marschierte ins Haus, frühstückte ein paar Toasts und etwas Kaffee und kehrte anschließend zurück. Er grub noch immer, als Ginny ihn zum Mittagessen rief.
    Danach ging sie mit ihm zum Hügel, um sich den Grund für die ganze Aufregung anzusehen. Ginny war groß und clever, ein Kind Chicagos. Sie war als Zollinspektorin nach North Dakota gekommen, hauptsächlich, um dem Stadtleben zu entfliehen, und hatte sich rasch in diesen Burschen Lasker verliebt. Tom hatte im Gegenzug angefangen, Ausflüge nach Kanada zu unternehmen, in der Hoffnung, bei seiner Rückkehr von ihr abgefertigt zu werden. Manchmal hatte er sogar Dinge eingekauft, auf die er Zoll zahlen konnte. Sie erinnerte sich noch sehr gut an seinen ersten Versuch in dieser Richtung: Tom hatte in einem Buchladen in Winnipeg dreißig Dollar bezahlt für ein Buch über die Geschichte der kanadischen Luftfahrt und war sichtlich enttäuscht gewesen, als Ginny ihn an der Grenze durchgewunken hatte, weil Bücher zollfrei waren.
    Seine Freunde hatten ihn vor Ginny zu warnen versucht. Sie wird die harten Winter rasch leid sein, hatten sie gesagt. Und das Kleinstadtleben. Irgendwann wird sie nach Chicago zurückkehren. Toms Freunde sprachen von Chicago mehr oder weniger in einem Ton, als läge es so weit entfernt wie Pluto.
    Seither waren zwanzig Jahre vergangen, und Ginny war noch immer da. Sie und Tom liebten die verschneiten Nächte und knackenden Kaminfeuer.
    »Werden wir Probleme damit bekommen?« fragte sie verwirrt vor dem Graben, den Tom rings um den Stab ausgehoben hatte. Das Loch war gut sechs Fuß tief, und an einer Wand lehnte eine Leiter.
    »Nicht wirklich.«
    »Und warum machst du das hier? Es gibt doch gar keinen Grund, den Stab aus dem Boden zu holen, oder? Schneid ihn einfach ab und mach dir keine Gedanken mehr.«
    »Wo bleibt dein Sinn für Romantik?« entgegnete er und spielte damit einen Ball zurück, den sie ihm gelegentlich zuwarf. »Willst du überhaupt nicht wissen, was sich darunter verbirgt?«
    Sie lächelte. »Ich weiß, was es ist. Ein Stab.«
    »Und wie ist er hergekommen?«
    Ginny blickte in den Graben. »Dort unten ist etwas. Am Boden.«
    Es war ein Stück Stoff. Lasker stieg die Leiter hinunter und grub rings um den Fetzen, um ihn freizulegen. »Er ist mit dem Stab verbunden«, sagte er schließlich.
    »Die Sache verursacht mehr Aufregung, als sie wert ist«, sagte Ginny.
    »Es dürfte jedenfalls gar nicht hier sein.«
    »Ja, schon. Aber wir haben heute noch andere Dinge zu erledigen.«
    Er runzelte die Stirn und stieß den Spaten in die weiche Erde.
     
    Es sah aus wie ein Mast. Komplett mit Segel.
    Verbunden mit einem Deck.
    Die Laskers luden ihre Nachbarn ein, und alle halfen beim Graben.
    Das Deck war Teil einer Yacht. Einer Yacht von nicht unbeträchtlicher Größe.
    Die Enthüllung kam nach und nach während einer Woche der Arbeit, an der sich nicht nur eine wachsende Schar von Freunden und High-School-Kindern, sondern sogar zufällig Vorübergehende beteiligten. Die Haifischflosse schien nichts weiter als ein dekoratives Stück auf der Spitze eines von zwei Masten zu sein.
    Die Yacht selbst war ein Musterstück mariner Ingenieurskunst. Sie besaß ein Ruderhaus, mehrere Kabinen und eine vollständige Takelung. Sie wuchteten das Schiff aus dem Loch und stellten es daneben ab, gestützt durch Pfosten aus Zedernholz. Laskers jüngerer Sohn Jerry spritzte es mit einem Wasserschlauch ab. Unter dem Schlamm fanden sie einen hellroten Anstrich, luxuriöse pinienfarbene Decks und weiße Innenkabinen. Das Wasser zerstob zu einem feinen Nebel, wo es auf die Hülle traf. Auf der Steuerbordseite baumelten an Bug und Heck lose Taue. Wahrscheinlich war das Schiff damit vertäut gewesen. Die Menschenmenge wuchs von Stunde zu Stunde.
    Betty Kausner strich ein- oder zweimal über den Kiel, ganz vorsichtig, als

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