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Die Kunst des guten Beendens

Titel: Die Kunst des guten Beendens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Ley
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des Schrecklichen
    Aber was so unverstanden geblieben ist, das kommt wieder; es ruht nicht, wie ein unerlöster Geist, bis es zur Lösung und zur Erlösung gekommen ist.
    Sigmund Freud

    Es geschieht immer wieder: in Tagebuchnotizen, im vertraulichen Gespräch mit Freunden, in der Psychotherapie. Jemand wird gewahr, dass er in seinem Leben das Schreckliche wiederholt hat und wiederholt. Immer wieder. Weshalb? Wieder hat sich ein Mann eine Partnerin gewählt, die alle Wesenszüge der Mutter aufweist und sie voll auslebt. Dominante Wesenszüge, die das damalige Kind (das ein Leben lang in einem lebt) leiden ließen. Das Kind fühlte sich unterdrückt, unverstanden, nicht geliebt, gebraucht – damit die Mutter ihr Leben leben konnte. Und nun hat sich bereits die dritte Partnerin in dieser Weise entpuppt, nachdem der Zauber der Verliebtheit abgeklungen war. Und das Kind im Mann erstarrt oder trotzt oder geht weg, oder alles nacheinander, nachdem er das erkannt hat. Die Wiederholung des Schrecklichen.
    Eine Frau ist mit der übergroßen Angst und Panik groß geworden, ihre Mutter könnte ihr abhanden kommen, einfach verschwinden, eines Tages weg sein. Die Mutter lebt heute noch. Es waren früher kleinste Beobachtungen und Gesprächsfetzen, die im kleinen Mädchen diese Angst wachsen ließen. Es war eine schreckliche, lebensbedrohende Angst, die sich im alltäglichen Leben in den vielfältigsten Facetten zeigte. Als erwachsene Frau erlebte sie große Leidenschaften. Sie lebte in der ständigen Angst, von einem Tag auf den anderen vom geliebten Menschen verlassen zu werden. Es waren jedes Mal symbiotische Beziehungen, die sie jeweils Knall auf Fall beendete. Sie war es, die aus der Beziehung ausbrach, weil die Angst, verlassen zu werden, zu groß wurde. Und es wiederholte sich immer wieder.
    Das Tückische an den Wiederholungen ist, dass sie nicht so klar und auf den ersten oder zweiten Blick erkennbar sind. Sie verhüllen sich in immer wieder anderen Verkleidungen. Eine erste und eine zweite große Liebe entpuppen sich erst nach Jahren als Wiederholung der Beziehung zum Vater. Im Ehepartner »versteckt« sich die Mutter. Doch das wird erst nach vielen schmerzlichen Jahren offensichtlich. Und die weiteren Lieben sind jedes Mal ganz andere Männer mit anderen Ausrichtungen, anderen Wesenszügen. Verliebtheiten werden reflektiert und geprüft und doch passiert es wieder.
    Warum? Weshalb? Diese Fragen bringen keine schlüssige Antwort. Es sind Kinderfragen wie eben die Frage eines kleinen Mädchens an die Mutter, ob die Sonne es, das kleine Mädchen, kenne.
    Mit dem Begriff des Wiederholungszwangs hat Freud die psychische Tendenz benannt, die eingeprägten, unbewussten Muster psychischer Konflikte in aktuellen Beziehungen stets neu zu inszenieren. In Variationen wiederholt sich immer wieder dasselbe. Der Wiederholungszwang zeugt von der Lebendigkeit und Widerstandsfähigkeit der ins Unbewusste verdrängten Wünsche und Vorstellungen. Dort geben sie keine Ruhe. Jede Interaktion wird unter dem Druck des Wiederholungszwangs nach dem Muster frühkindlicher Erfahrungen gestaltet. Abwehr und Widerstand in einer Beziehung richten sich gegen verinnerlichte reale oder phantasierte verpönte oder verbietende Erfahrungen. Es sind nicht alles reale Verinnerlichungen. Auch die Phantasie nimmt in unserem Seelenleben einen großen und auf eine andere Weise realen Platz ein. Auch das Verpönte oder Verbotene sind Erfahrungen oder Phantasien. Kein Wunder also, wenn das Verbotene und das Unmögliche den Menschen so magisch anzieht.
    Wichtig ist zu erläutern, dass reale frühere Verbote oder Unmöglichkeiten – von den Eltern oder anderen Bezugspersonen ausgesprochen – im Laufe der Entwicklung von einem Kind übernommen und verinnerlicht werden, um sich vor wiederkehrender Enttäuschung zu schützen. Aus demäußeren Konflikt wird ein innerer Konflikt. Die Wünsche lassen sich weder auflösen noch vernichten. Sie kehren immer wieder, und zwar im Wiederholungszwang, dem Drang oder Zwang, die konfliktvollen Wünsche im Leben umzusetzen. Ein Vater hat neben der autoritären Art möglicherweise auch Sicherheit ausgestrahlt. Eine Mutter hat mit ihrer emotionalen Stärke auch viel Verständnis gezeigt. Für die Seele könnte das bedeuten, dass das eine nicht ohne das andere zu haben ist. So verliebt man sich ins Gewünschte, und die Kehrseite zeigt sich erst später.
    Das eine ist aber ohne das andere zu haben. Doch das erkennt ein Mensch erst

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