Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kunst des Träumens

Die Kunst des Träumens

Titel: Die Kunst des Träumens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
Vom Netzwerk:
Lachen verzerrt.
    Er hielt mich unerbittlich am Arm. während ich nach Luft schnappte. Ich glaubte zu ersticken Sein Lachen schwoll an. donnernd wie Meeresbrandung. Ich riß mich gewaltsam los und marschierte zur Plaza. Er folgte mir.
    »Ich hätte nie geglaubt, daß es dich so umwerfen würde«, meinte er, noch immer von Lachen geschüttelt.
    »Warum hast du mir nicht gesagt, daß der Mieter eine Frau ist?«
    »Dieser Zauberer ist der. der dem Tode trotzt«, sagte er feierlich. »Für solch einen Zauberer, so erfahren im Verlagern seines Montagepunktes, ist es eine Frage der Wahl oder Vorliebe, ob er als Mann oder als Frau auftreten will. Dies ist der erste Teil der Lektion im Träumen, die du - wie ich sagte - heute erhalten wirst. Und der dem Tod Trotzende ist jener geheimnisvolle Besucher, der dich dabei führen wird.«
    Er hielt sich noch immer den Bauch, geschüttelt von hustendem Lachen. Ich war sprachlos. Dann packte mich plötzliche Wut. Ich war nicht wütend auf Don Juan oder mich selbst oder auf sonst jemanden. Es war ein kalter Zorn, der sich anfühlte, als ob meine Brust und meine Halsmuskeln bersten wollten. »Komm, gehen wir zurück zur Kirche«, schrie ich und kannte meine eigene Stimme nicht wieder.
    »Na, na«, sagte er leise.
    »Nur nicht gleich mit dem Kopf durch die Wand. Denke mal nach. Überlege. Wäge die Dinge. Kühle erst mal deine Wut ab. Noch nie im Leben bist du auf eine solche Probe gestellt worden. Was du jetzt brauchst, ist Gelassenheit. Ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst«, fuhr er fort. »Ich kann dich nur, wie jeder Nagual es tut, vor die Herausforderung stellen, nachdem ich dir, wenn auch indirekt, alles gesagt habe, was du wissen mußt. Dies ist wieder eines dieser Nagual-Manöver: alles zu sagen, ohne es direkt zu sagen; oder zu fragen, ohne direkt zu fragen.«
    Ich wollte es rasch hinter mich bringen. Aber Don Juan meinte, daß eine kurze Pause mir den Rest meiner Selbstsicherheit wiedergeben würde. Mir zitterten noch die Knie. Fürsorglich half mir Don Juan, mich auf den Rinnstein zu setzen. Er setzte sich neben mich.
    »Der erste Teil dieser Traum-Lektion besagt, daß das Männliche und das Weibliche nicht endgültige Zustände, sondern die Folge einer spezifischen Position des Montagepunktes sind«, sagte er. »Und dies ist natürlich eine Frage von Willenskraft und Training. Weil dies ein Thema ist, ganz nach dem Herzen der alten Zauberer, können sie als einzige Licht in die Sache bringen.« Vielleicht weil es das einzig Vernünftige war, was mir zu tun blieb, fing ich an, mit Don Juan zu streiten.
    »Was du sagst, kann ich weder glauben noch akzeptieren«, rief ich. Und spürte Hitze in mein Gesicht steigen.
    »Aber du hast die Frau doch gesehen«, erwiderte Don Juan. »Glaubst du, all dies sei nur ein Trick?«
    »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«
    »Das Wesen in der Kirche ist eine echte Frau«, sagte er mit Nachdruck.
    »Wieso ist das so beunruhigend für dich? Die Tatsache, daß sie als Mann geboren ist, bestätigt doch nur. welche Kraft die Machenschaften der alten Zauberer hatten. Es sollte dich nicht überraschen. Du hast doch alle Prinzipien der Zauberei am eigenen Leib erfahren.«
    Ich glaubte vor innerer Spannung zu explodieren. Und Don Juan warf mir jetzt vor, ich sei wohl nur streitlustig. Mit bemühter Geduld und wahrer Großspurigkeit erklärte ich ihm die biologischen Grundlagen von Männlichkeit und Weiblichkeit. »Das weiß ich doch alles«, sagte er. »Und du hast recht mit allem, was du sagst. Dein Fehler ist nur. daß du deine Urteile verallgemeinern willst.«
    »Wir sprechen hier über Grundprinzipien«, schrie ich »Sie gelten für Menschen hier und überall im Universum.«
    »Richtig, richtig«, sagte er mit leiser Stimme. »Alles, was du sagst, ist richtig - solange unser Montagepunkt in seiner gewohnten Position bleibt. Aber sobald er über gewisse Grenzen hinaus verschoben ist und unsere Alltagswelt keine Geltung mehr hat, verlieren all die Prinzipien, von denen du sprichst, ihren absoluten Wert.
    Dein Fehler ist, zu vergessen, daß der dem Tod Trotzende diese Grenzen tausend- und abertausendmal überschritten hat. Man braucht kein Genie sein, um zu erkennen, daß der Mieter nicht mehr durch dieselben Kräfte gebunden ist. die dich jetzt binden«
    Ich sagte ihm, daß mein Sträuben - falls man es als Sträuben bezeichnen konnte - nicht ihm galt, sondern den praktischen Seiten der Zauberei, die ich noch nie akzeptieren konnte

Weitere Kostenlose Bücher