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Die Kunst des Träumens

Die Kunst des Träumens

Titel: Die Kunst des Träumens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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sprechen. Das kleine Mädchen weinte sogar - wie Mädchen ihres Alters wohl weinen: aus Furcht und Verzweiflung. Ich ertrug es nicht mehr. Ich stürzte zu ihr hin - aber ohne entsprechende Wirkung. Meine Energiemasse ging durch sie hindurch. Ich hatte daran gedacht, sie hochzuheben und mitzunehmen.
    Und dies versuchte ich immer wieder, bis ich ganz erschöpft war. Ich blieb stehen, um meinen nächsten Schritt zu überlegen. Ich befürchtete, daß meine Traum-Aufmerksamkeit schwinden und ich das Mädchen aus dem Blick verlieren könnte. Dabei bezweifelte ich, ob die anorganischen Wesen mich noch einmal in diesen Teil ihrer Welt führen würden. Und zudem glaubte ich. dies sei mein letzter Besuch bei ihnen: der Besuch, auf den es ankam.
    Dann tat ich etwas Unvorstellbares. Bevor meine Traum-Aufmerksamkeit schwand, schrie ich laut und deutlich meine Absicht hinaus, meine Energie mit der Energie dieses gefangenen Scouts zu verschmelzen und ihn zu befreien.

7. Der blaue Scout
    Ich träumte einen ganz unsinnigen Traum. Carol Tiggs war neben mir. Sie sprach auf mich ein, obwohl ich nicht verstand, was sie sagte. Auch Don Juan kam in meinem Traum vor, wie alle übrigen Mitglieder seiner Gruppe. Anscheinend versuchten sie mich aus einer gelblichen Nebelwelt herauszuziehen. Nach schwersten Anstrengungen, und während ich mehrmals die Sicht verlor und wiedererlangte, schafften sie es, mich von diesem Ort loszureißen. Da ich nicht verstand, welchen Sinn das Ganze hatte, glaubte ich schließlich, ich hätte einen normalen, wenn auch absurden Traum. Wie überrascht war ich aber, als ich erwachte und mich im Bett fand, in Don Juans Haus. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich hatte keine Energie mehr. Ich wußte nicht, was ich glauben sollte, auch wenn ich das Gefährliche meiner Lage spürte. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, daß ich durch die Erschöpfung nach meinem Träumen all meine Energie verloren hatte. Don Juans Gefährten, so schien es, waren sehr mitgenommen von dem, was mit mir geschah. Einer nach dem anderen kamen sie immer wieder zu mir ins Zimmer. Jeder blieb ein Weilchen und schwieg, bis der nächste sich einstellte. Mir schien es, als wachten sie abwechselnd bei mir. Ich war zu schwach, als daß ich sie hätte bitten können, mir ihr Verhalten zu erklären. Im Lauf der folgenden Tage ging es mir etwas besser, und sie begannen mit mir über mein Träumen zu sprechen. Anfangs wußte ich nicht, was sie von mir wollten. Dann dämmerte mir, aufgrund ihrer Fragen, daß es ihnen um die Schattenwesen ging. Alle wirkten sie verängstigt und sagten mir mehr oder minder dasselbe: sie behaupteten, sie wären selbst nie in der Schattenwelt gewesen. Einige behaupteten sogar, nicht zu wissen, daß sie überhaupt existierte. Ihre Behauptungen und Reaktionen steigerten meine Verwirrung und Furcht. Sie stellten mir Fragen, wie etwa: »Wer hat dich in diese Welt geführt?« oder »Woher wußtest du. wie man dorthin gelangt?« Als ich ihnen sagte, daß die Scouts mir diese Welt gezeigt hätten, wollten sie mir nicht glauben. Anscheinend nahmen sie an, daß ich wohl dort gewesen sei. aber da sie keinerlei persönliche Erfahrungen mit dieser Welt hatten, konnten sie nicht ermessen, was ich sagte. Dennoch wollten sie alles wissen, was ich ihnen über die Schattenwesen und ihre Welt berichten konnte. So tat ich ihnen den Gefallen. Und alle, mit Ausnahme Don Juans, saßen bei mir am Bett und hingen an meinen Lippen. Doch jedesmal, wenn ich sie um ihre Meinung über meine Situation befragte, huschten sie hinaus, genau wie Schattenwesen.
    Eine weitere alarmierende Reaktion, die sie früher nicht gezeigt hatten, war, daß sie sich ängstlich bemühten, jeglichen physischen Kontakt mit mir zu vermeiden. Sie hielten Abstand, als hätte ich die Pest. Ihre Reaktion beunruhigte mich so sehr, daß ich sie deshalb befragen mußte. Sie leugneten es. Sie schienen beleidigt und gingen sogar so weit, mir beweisen zu wollen, daß ich im Unrecht sei. Über die gespannte Situation, die sich daraus ergab, musste ich herzlich lachen. Jedes Mal, wenn sie mich zu umarmen versuchten, erstarrten sie am ganzen Körper. Florinda Grau. Don Juans engste Vertraute, war die einzige aus seiner Gruppe, die sich mir körperlich näherte und mich pflegte. Sie versuchte mir auch zu erklären, was eigentlich los war. Sie sagte, meine Energie sei in der Welt der anorganischen Wesen völlig entladen und dann wieder aufgeladen worden, doch meine neue Energie sei ziemlich

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