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Die Kunst des Träumens

Die Kunst des Träumens

Titel: Die Kunst des Träumens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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sie mich zu einem Gefühlsausbruch zwangen: nämlich, den blauen Scout zu befreien. Dann habe die kombinierte Bewußtheit dieser Gruppe von anorganischen Wesen meine feste physische Masse in ihre Welt geschafft. Denn ohne den Energiekörper, fügte Don Juan hinzu, sei man nur ein Klumpen organischer Materie, der vom Bewusstsein leicht manipuliert werden kann.
    »Die anorganischen Wesen hängen aneinander, wie die Zellen unseres Körpers«, fuhr Don Juan fort.
    »Wenn sie ihre Bewußtheit bündeln, sind sie unschlagbar. Es ist für sie eine Kleinigkeit, uns aus unserer Verankerung zu reißen und in ihre Weit zu stoßen.
    Besonders wenn wir uns so auffällig verfügbar machen, wie er es getan hat.«
    Die Seufzer und Schreckenslaute der anderen hallten von den Wänden wider. Alle schienen sie tief entsetzt und besorgt. Ich wollte schon jammern und Don Juan Vorwürfe machen, weil er mich nicht zurückgehalten hatte; dann aber fiel mir ein, wie er mich immer wieder gewarnt hatte, wie er vergeblich versucht hatte, mich davon abzuhalten. Don Juan war sich durchaus bewußt, was in mir vorging. Er schenkte mir ein wissendes Lächeln. »Du fühltest dich krank«, sagte er. »weil deine Energie von den anorganischen Wesen entladen und dann mit ihrer Energie wieder aufgeladen worden ist. So etwas hätte genügt, um jeden zu töten. Aber als Nagual hast du zusätzliche Energien, und darum bist du mit knapper Not entronnen.«
    Ich sagte zu Don Juan, daß ich mich an Bruchstücke eines zusammenhanglosen Traums erinnerte, in dem ich mich in einer gelb vernebelten Welt befand. Er, Carol Tiggs und seine übrigen Gefährten hätten mich dort herausgezogen.
    »Das Reich der anorganischen Wesen erscheint vor dem physischen Auge als eine gelbe Nebelwelt«, sagte er.
    »Als du einen zusammenhanglosen Traum zu träumen glaubtest, schautest du tatsächlich zum erstenmal mit deinen physischen Augen das Universum der anorganischen Wesen. Und so seltsam es dir scheinen mag, es war auch für uns das erste Mal. Wir wissen von dem gelben Nebel nur aus Geschichten der Zauberer, nicht aus eigener Erfahrung.«
    Was er da sagte, war mir völlig unverständlich. Don Juan beteuerte aber, daß eine umfassendere Erklärung nicht möglich sei, weil es mir an Energie fehle. Ich müsse mich damit abfinden, meinte er, was er mir sagte und wie ich es verstünde. »Ich verstehe es überhaupt nicht«, beharrte ich.
    »Dann hast du nichts verloren«, sagte er.
    »Wenn du stärker geworden bist, wirst du selbst Antworten auf deine Fragen finden.«
    Ich gestand Don Juan, daß ich Hitzewallungen hatte. Plötzlich stieg meine Temperatur, und während mir heiß wurde, bis ich schwitzte, hatte ich außerordentliche, aber beängstigende Einsichten in meine Situation.
    Don Juan prüfte meinen ganzen Körper mit seinem durchdringenden Blick. Er sagte, ich sei in einem energetischen Schockzustand. Der Energieverlust habe mich zeitweilig geschwächt, und was ich nun als Hitzewallungen erlebte, wären in Wirklichkeit Energieschübe, bei denen ich augenblicklich die Kontrolle über meinen Energiekörper wiedergewann und erkannte, was mit mir geschehen sei.
    »Strenge dich an und sage mir selbst, was dir in der Welt der anorganischen Wesen geschehen ist«, befahl er mir. Und so erzählte ich ihm, ich hätte von Zeit zu Zeit den klaren Eindruck, daß er und seine Gefährten mit ihrem physischen Körper in diese Welt gekommen wären und mich den anorganischen Wesen entrissen hätten.
    »Richtig!« rief er. »Gut gemacht. Und nun verwandle diesen Eindruck in ein Bild dessen, was passierte.«
    So sehr ich es auch versuchte, es wollte mir nicht gelingen, was er von mir verlangte. Mein Scheitern erlebte ich als ungewöhnliche Müdigkeit, die mich von innen her auszutrocknen schien. Bevor Don Juan hinausging, sagte ich zu ihm. daß ich unter Angst litte. »Das hat nichts zu bedeuten«, sagte er unbekümmert. »Sieh zu.
    daß du deine Energie wiedergewinnst, und sorge dich nicht um solchen Quatsch.«
    Es vergingen mehr als zwei Wochen, während langsam meine Energie wiederkehrte. Dennoch machte ich mir weiterhin Sorgen um alles und jedes. Vor allem sorgte ich mich um ein Gefühl, mir selber fremd geworden zu sein - namentlich eine gewisse Kälte in mir, die ich bislang nicht bemerkt hatte, eine Art Gleichgültigkeit und Distanziertheit, die ich auf meinen Mangel an Energie zurückführte, bis ich diese wiederfand. Dann aber wurde mir klar, daß es eine neue Eigenschaft meines Wesens

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