Die Kunst des Träumens
los. Ich erreichte die Schattenwelt, wie ich es unzählige Male getan hatte; der Unterschied war diesmal die Anwesenheit der blauen Energiegestalt. Sie befand sich unter den anderen Schattenwesen. Dabei hielt ich es wohl für möglich, daß diese Energieformation früher schon da gewesen war, ohne daß ich es merkte. Kaum hatte ich sie entdeckt, wurde meine Traum-Aufmerksamkeit von dieser Energiegestalt angezogen. Im nächsten Moment war ich bei ihr. Wie immer kamen auch die anderen Schatten heran, aber ich achtete nicht auf sie. Ganz plötzlich verwandelte sich die runde blaue Gestalt in das kleine Mädchen, das ich beim letzten Mal gesehen hatte. Sie bog ihren zierlichen langen Hals zur Seite und sagte, kaum hörbar flüsternd: »Hilf mir!« Entweder sagte sie es, oder ich phantasierte, daß sie es gesagt hätte. Das Ergebnis war dasselbe: ich stand wie erstarrt, aufgewühlt von echter Anteilnahme. Ich spürte ein Frösteln, aber nicht in meiner Energiegestalt. Es war ein anderer Teil von mir, der dieses Frösteln spürte. Zum erstenmal war mir klar bewußt, daß meine Erfahrung völlig getrennt war von meinen Sinnesempfindungen. Ich erlebte die Schattenwelt - mit all den Bedingungen, die für mich Erleben ausmachen: ich konnte denken, urteilen, Entscheidungen treffen; ich hatte eine psychische Kontinuität. Mit anderen Worten, ich war ich selbst. Das einzige, was fehlte, war mein sensorisches Selbst. Ich hatte keinerlei Körperempfindungen. Alle Wahrnehmungen waren auf Sehen und Hören beschränkt. Und nun stand mein rationales Denken vor einem sonderbaren Dilemma: Sehen und Hören waren keine körperlichen Fähigkeiten, sondern Eigenschaften der Visionen, die ich hatte.
»Du siehst und hörst tatsächlich«, sagte die Stimme des Botschafters, in meine Gedanken einbrechend. »Dies ist das Schöne an unserer Welt. Du kannst alles durch Sehen und Hören erleben, ohne daß du atmen müßtest. Denk doch nur. du brauchst nicht zu atmen. Du kannst überall hingehen, in diesem Universum, ohne zu atmen.«
Eine Welle höchst beunruhigenden Gefühls überschwemmte mich, und wieder spürte ich es nicht dort, in der Schattenwelt. Mein Gefühl war anderswo. Und dann überwältigte mich die offenkundige, wenn auch anfangs verschleierte Erkenntnis, daß es eine lebendige Verbindung gab zwischen dem Ich. das erlebte, und einer Energiequelle, einer Quelle sensorischer Empfindung, die sich irgendwo anders befand. Mir kam der Gedanke, daß dieses Anderswo mein wirklicher, physischer Körper sein müsse, der schlafend in meinem Bett lag.
Im selben Augenblick, als ich dies dachte, huschten die Schattenwesen davon, und einzig das kleine Mädchen blieb in meinem Gesichtsfeld. Ich beobachtete sie und war überzeugt, daß ich sie kannte. Sie schien zu wanken, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. Und mich erfaßte eine grenzenlose Liebe zu ihr. Ich versuchte mit ihr zu sprechen, brachte aber keinen Laut hervor. Da wurde mir klar, daß alle meine Dialoge mit dem Botschafter durch die Energie des Botschafters ausgelöst und bewerkstelligt worden waren. Auf mich selbst angewiesen, war ich hilflos. Als nächstes versuchte ich meine Gedanken auf das Mädchen zu lenken. Es war vergeblich. Wir waren getrennt durch einen Schirm von Energie, den ich nicht durchdringen konnte.
Das kleine Mädchen schien meine Notlage zu begreifen und kommunizierte tatsächlich mit mir - direkt durch meine Gedanken. Im wesentlichen erzählte sie mir. was Don Juan mir gesagt hatte: daß sie ein Scout sei, gefangen in den Netzen dieser Welt. Und sie fügte hinzu, daß sie die Gestalt eines kleinen Mädchens angenommen habe, weil diese Gestalt mir und auch ihr vertraut sei. und daß sie meine Hilfe brauche, genau wie ich die ihre. All dies sagte sie mir mit einem einzigen Bündel energetischen Gefühls - wie Wörter, die alle gleichzeitig auf mich einströmten. Ich hatte gar kein Problem, sie zu verstehen, obwohl es das erste Mal war, daß mir so etwas widerfuhr.
Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Ich versuchte ihr mein Gefühl der Unfähigkeit zu vermitteln. Sie schien mich unmittelbar zu verstehen. Sie flehte mich an. mit einem stummen, lodernden Blick. Sie lächelte sogar, wie um mich wissen zu lassen, daß sie mir zutraute, sie von ihren Fesseln zu befreien. Als ich - in Gedanken erwiderte, daß ich keinerlei Möglichkeiten dazu hätte.
So machte sie ganz den Eindruck eines hysterischen Kindes in hoffnungsloser Wut.
Aufgeregt versuchte ich mit ihr zu
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