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Die Kunst des Träumens

Die Kunst des Träumens

Titel: Die Kunst des Träumens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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beängstigend für die meisten von ihnen.
    Jeden Abend brachte Florinda mich zu Bett, als sei ich ein Invalide. Sie sprach sogar in zärtlicher Kindersprache zu mir, was alle anderen mit schallendem Gelächter begleiteten. Ganz gleich aber, wie sehr mich Florinda veralberte, war ich ihr dankbar für ihre Anteilnahme, die echt zu sein schien.
    Von Florinda habe ich schon in einem früheren Buch erzählt, im Zusammenhang meiner Begegnung mit ihr. Sie war bei weitem die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Einmal sagte ich zu ihr, und ich meinte es ganz ehrlich, sie hätte Fotomodell in einem Modejournal sein können. »In einem Journal aus dem Jahr 1910«. erwiderte sie. Florinda war alt, und doch nicht alt. Sie war jung und vibrierend vor Energie. Als ich Don Juan nach ihrer ungewöhnlich jugendlichen Erscheinung befragte, antwortete er. daß die Zauberei sie so lebendig halte. Die Energie der Zauberer, meinte er, wirke auf den Betrachter als Jugend und Kraft.
    Nachdem Don Juans Gefährten ihre anfängliche Neugier auf die Schattenwelt befriedigt hatten, stellten sie ihre Besuche in meinem Zimmer ein. und ihre Unterhaltung bewegte sich fortan im Rahmen gelegentlicher Erkundigungen nach meiner Gesundheit. Doch jedesmal, wenn ich aufzustehen versuchte, war jemand da, der mich mit sanfter Gewalt wieder zu Bett brachte. Ich wünschte ihre Fürsorglichkeit nicht, aber anscheinend brauchte ich sie. Ich war schwach. Dies musste ich akzeptieren. Was aber wirklich an meinen Nerven zerrte, war, daß niemand mir erklären konnte, was ich eigentlich in Mexiko machte, während ich mich in Los Angeles ins Bett gelegt hatte, um zu träumen. Ich befragte sie immer wieder. Alle gaben sie mir die gleiche Antwort: »Frage den Nagual. Er ist der einzige, der es erklären kann.« Endlich brach Florinda das Eis: »Du wurdest in eine Falle gelockt. Das ist's, was dir passierte.«
    »Wo wurde ich in eine Falle gelockt?«
    »Natürlich in der Welt der anorganischen Wesen. Das ist die Welt, mit der du dich seit Jahren beschäftigst, nicht wahr?«
    »Ganz gewiß. Florinda. Aber kannst du mir verraten, was das für eine Falle war?«
    »Nicht eigentlich. Nur so viel kann ich dir sagen, daß du dort alle Energie verloren hast. Aber du hast dich sehr gut gewehrt.«
    »Warum bin ich krank. Florinda?«
    »Du leidest an keiner Krankheit. Du wurdest energetisch verwundet. Es war sehr kritisch, aber jetzt bist du nur noch schwer verletzt.«
    »Wie konnte all das passieren?«
    »Du hast dich auf einen tödlichen Kampf mit den anorganischen Wesen eingelassen, und du wurdest besiegt.«
    »Ich kann mich an keinen Kampf erinnern, Florinda.«
    »Ob du dich erinnerst oder nicht, darauf kommt es nicht an. Du hast gekämpft, und du hast verloren. Du hattest keine Chance gegen diese Meister der Manipulation.«
    »Ich habe mit den anorganischen Wesen gekämpft?«
    »Ja. Du hattest mit ihnen eine Begegnung auf Leben und Tod. Ich weiß tatsächlich nicht, wie du ihren tödlichen Schlag überlebt hast.«
    Sie war nicht bereit, mir mehr zu verraten, und deutete an. der Nagual könne jeden Tag kommen und mich besuchen. Am nächsten Tag erschien Don Juan. Er gab sich jovial und hilfsbereit. Scherzend verkündete er. daß er in seiner Eigenschaft als Energie- Doktor gekommen sei. Er untersuchte mich, indem er mich von Kopf bis Fuß anstarrte.
    »Du bist beinah geheilt«, erklärte er.
    »Was ist mit mir passiert. Don Juan?« fragte ich. »Die anorganischen Wesen haben dir eine Falle gestellt, und du bist hineingetappt«, antwortete er.
    »Wie bin ich hierher gekommen?«
    »Genau dies ist das große Rätsel«, sagte er und lächelte gönnerhaft offenkundig bemüht, eine schwierige Frage leichtzunehmen. »Die anorganischen Wesen schnappten dich mit Haut und Haaren. Zuerst brachten sie deinen Energiekörper in ihr Reich, als du einem ihrer Scouts folgtest, und dann nahmen sie deinen physischen Körper.«
    Don Juans Gefährten wirkten schockiert. Einer von ihnen fragte Don Juan, ob die anorganischen Wesen einen gewaltsam entführen könnten. Natürlich könnten sie dies, antwortete Don Juan. Und er erinnerte die anderen daran, daß der Nagual Elias in diese Welt entführt worden sei, obwohl er wirklich nicht die Absicht gehabt habe, dorthin zu gehen.
    Alle stimmten kopfnickend zu. Don Juan sprach weiter zu ihnen, mich in der dritten Person erwähnend. Er sagte, daß die kombinierte Bewußtheit einer Gruppe solcher Wesen zuerst meinen Energiekörper verzehrt habe, indem

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