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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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von vorn, von der rechten Seite, von der linken Seite … Ach, ich liebe einfach Gottes Vielfalt! Schon verrückt, was man mit dem kleinen Kerl so alles anstellen kann!«
    Michelangelo war noch dabei, Pieros Antwort zu verdauen, als Giovanni ihn wiederum anstieß und anzüglich grinste.
    »Du malst mir doch die Bildchen, ja? Streng nach Gottes Natur! Auf denen man auch alles hübsch erkennen kann, wie in der Heiligen Schrift!«
    Prustend schlug Piero dem jungen Bildhauer derb auf den Rücken. »Hast du es endlich kapiert? Mein Bruder finanziert dir deine Studien, er will dafür nur die Resultate!«
    »Keine Zoten bei Tisch!«, erklang plötzlich Lorenzos Stimme in ungewöhnlicher Lautstärke, der die jungen Männer am anderen Ende der Tafel nicht einen Augenblick aus den Augen gelassen hatte.
    Ihm entgeht nichts, dachte Michelangelo voller Bewunderung und nahm sich vor, von Lorenzo zu lernen. Piero schlug demütig die Augen nieder. »Nein, Vater, natürlich nicht. Wir sprachen nur über Natur und Kunst!«
    »Ich hoffe nur, dass du die Natur nicht mit der Pornografie verwechselst!«, sagte Lorenzo und blitzte seinen Sohn kurz an, zum Zeichen, dass er ihm nichts vormachen konnte. Dann widmete er sich freundlich und entspannt, so, als ob nichts gewesen wäre, seinen Gästen zur Linken, während Clarice ihr Geplauder mit jenen zur Rechten wieder aufnahm. Contessina warf ihren Brüdern einen kurzen, schadenfrohen Blick zu und verbarg ihr spöttisches Lächeln sogleich hinter vorgehaltener Hand. Einzig den kleinen Giuliano, der links neben seiner Mutter saß, hatte das Geplänkel unbeeindruckt gelassen. Er war vollauf damit beschäftigt, im Wettstreit mit dem Hofnarren, dem alten Buffaldo, Grimassen zu schneiden.
    Zu seinem Entsetzen entdeckte Michelangelo auf seinem Teller Garnelen. »Wie isst man denn das?«
    »Ich zeige es dir«, beruhigte ihn Piero. »Du musst die Schalen aufbrechen, so, schau her!« Lorenzos Kronprinz nahm das Schalentier in die Hand und brach es auseinander, dass ihm das Öl von den Händen troff. Genießerisch schloss er die Augen, schob das rosafarbene Fleisch in seinen Mund und kaute mit einem entrückten Lächeln. »Nach einem Pfund Garnelen könnte ich alle Novizinnen eines Klosters begatten. Einfach so, eine nach der anderen, das sag ich dir!«
    »Und die sind besonders ausgehungert«, fügte seine Eminenz Giovanni de Medici hinzu.
    »Junger Buonarroti, höre!« Michelangelo schaute nach rechts, um zu sehen, wer das Wort an ihn gerichtet hatte. »Komm morgen zu mir, ich habe etwas für dich!«, fuhr Landino fort.
    »Und was wäre das?«, fragte Michelangelo voller Neugier.
    »Etwas, das du in deinem Leben brauchen wirst wie nichts anderes.«
    Mit seinen im Kerzenlicht glühenden Augen und dem scharf geschnittenen Gesicht kam er Michelangelo vor wie ein Magier aus alter Zeit. Bevor er nachfragen konnte, hatte sich Landino wieder in seine Unterhaltung mit Angelo Poliziano vertieft. Michelangelo wusste nicht, was er davon zu halten hatte. Fragend blickte er erst Giovanni, dann Piero an. Aus den Blicken der Brüder sprach nichts als Respekt, obwohl dieser wahrlich nicht zu den Disziplinen gehörte, in denen sie sich üblicherweise hervortaten.
    »Du solltest hingehen«, riet ihm Piero. »Cristoforo prahlt nicht.«
    »Und er lässt nicht jeden in sein Gehäuse. Nur Papa und Contessina. Nicht einmal ich darf ihn besuchen«, nörgelte Giovanni. »Und dabei bin ich Kardinal.« Schmollend schob er seine volle Unterlippe vor und rollte die Augen.

10

    Florenz, Anno Domini 1491
    Verschwitzt und verstaubt von seinem Tag als Bildhauerschüler machte sich Michelangelo am nächsten Abend gleich nach dem Unterricht bei Bertoldo auf den Weg zum Palazzo der Medici. Auf seiner Haut lag eine feine Schicht aus weißem Marmorstaub, sodass er einem Bäckerjungen glich, der in der Backstube zu viel mit Mehl gearbeitet hatte. Ein Diener im Palazzo di Medici wies ihm sogleich den Weg zum Studierzimmer des Philologen. Er atmete auf und wurde zugleich unruhig: Er wurde erwartet!
    Vor der glänzend polierten Eichentür, hinter der sich die Räumlichkeiten des Dichters befanden, fuhr sich Michelangelo noch einmal durchs Haar und hob die Hand, um anzuklopfen. Doch Contessinas zornige Stimme, die an sein Ohr drang, ließ ihn mitten in der Bewegung innehalten.
    »Nein, nein und nochmals nein!«, hörte er sie ausrufen. »Eine reinere Liebe gibt es nicht, hat es nie gegeben und wird es auch künftig nicht

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