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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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ihre Gefühle hinter einem spöttischen Scherz.
    Die Sonntagnachmittage verbrachte Michelangelo fast ausnahmslos mit dem Zeichnen nach Modellen, denn ausgerechnet am Tag des Herrn schleppte ihn Piero stets in ein Bordell, damit er für Giovanni die »Bildchen« verfertigen konnte. Dann ließ ihn der älteste Medici-Sohn in einem Verschlag mit Fenster zurück und schickte eine üppige Schönheit zu Michelangelo, während er selbst verschwand, um ihn Stunden später wieder abzuholen.
    Das zweifelhafte Umfeld, das Gekreische, Gelächter und Gestöhne, das sich in den Gängen sammelte, machten ihm indes nichts aus. Sobald er zu skizzieren begann und sich in das Studium des menschlichen Körpers vertiefte, vergaß er alles um sich herum. Die nackten Frauen lösten bei ihm nur das professionelle Interesse des Malers aus, aber kein körperliches Verlangen. Später engagierte Piero auch zusätzlich einen Mann, damit Michelangelo die verschiedenen Stellungen abzeichnen konnte. Der entzückte Giovanni sammelte die Skizzen und klebte sie in ein Buch, auf das er in großen Lettern »Il Modi« geschrieben hatte. Die reinen Aktstudien hingegen kamen in ein Buch mit der Aufschrift »Ignudi«.

11

    Florenz, Anno Domini 1492
    Ein paar Monate später sah Michelangelo eines Abends aus den Augenwinkeln, dass sich Contessina wie an vielen Abenden bei ihrer Mutter entschuldigte und von der Tafel erhob. Unauffällig zwinkerte sie ihm zu und hob kurz die rechte Hand, als wolle sie nur einmal den Arm ausstrecken. In den goldenen Knöpfen ihres roten Samtkleides spiegelte sich das Licht der Kerzen. Im Singsang der Gespräche, dem aufbrandenden Gelächter und dem fröhlichen Geklapper der Schüsseln und Teller, gegen das sich ein Lautenspieler mühsam durchzusetzen versuchte, bemerkte niemand die geheimen Zeichen. Michelangelo aber sah sie und wusste sie zu deuten: zweiter Stock, rechter Palastflügel.
    Bebenden Herzens ließ er eine kleine Weile vergehen, bevor er sich mit gequältem Gesichtsausdruck erhob, als peinige ihn das Essen in Magen und Gedärmen. Piero de Medici, der das bereits hinlänglich kannte, warf ihm einen mitleidigen Blick zu.
    »Dass du armer Kerl noch nicht verhungert bist, ist ein wahres Wunder. Kaum dass du sie aufgenommen hast, verlässt alle Nahrung schon wieder deinen Körper. Du musst zum Arzt, mein Freund. In deinen Innereien hockt ein furchtbarer Drache!«
    Als Michelangelo aus dem Saal in den luftigen Flur getreten war, hätte jedermann Zeuge einer Wunderheilung werden können. Ein Lächeln vertrieb die zur Schau gestellte Leidensmiene, und der eben noch vor Leibschmerzen Gekrümmte stürmte die breite Treppe hinauf, bog rechts um die Ecke und lief auf Contessina zu, die seiner in einer dunklen Nische vor dem Arbeitszimmer ihres Vaters harrte.
    »Endlich«, seufzte sie. »Endlich!«
    Sie reichte ihm ihre schmalen Hände, die er mit seinen Händen umfing und andächtig küsste. Ihre Finger zierten goldene Ringe mit Perlen, Rubinen, Lapislazuli, Karneolen und anderen Schmucksteinen.
    »Dieser ist fürs Gedenken, dieser fürs Verschenken, dieser fürs Bedenken, dieser für die Liebe …« Mit einem zärtlichen Lächeln zählte Michelangelo die Ringe ab, als Contessina ihm die rechte Hand vor den Mund legte. Dann zog sie einen Ring mit einer Perle vom Finger, legte ihn in seine Hand und drückte sie zur Faust zusammen.
    »Dieser für die Liebe. Dass ich immer bei dir bliebe! Verreime dich nicht, mein lieber Zähnebrecher!«
    Dann lachte sie auf, als wäre alles nur ein Scherz gewesen. Michelangelo, der nicht wusste, was er denken sollte, hielt ihr den Ring auf der ausgestreckten Hand hin. Contessina schob sie sanft zurück und schüttelte den Kopf, bis ihr die Locken ins Gesicht fielen.
    »Vater hat es erlaubt!«, sagte sie dann. »Morgen Nachmittag darf ich mir in Begleitung meiner Amme und eines Hausdieners Masaccios Bilder in der Brancacci-Kapelle ansehen.«
    Vor Freude klatschte sie laut in die Hände. Der Widerhall in dem großen, mit Marmor ausgekleideten Flur ließ die beiden jungen Leute zusammenfahren.
    Kühle legte sich wie eine zweite Haut um Michelangelo, als er die Kirche betrat. Seine Schritte hallten in dem hohen Raum wieder. In der Kapelle des Felice Brancacci stieß Michelangelo auf ein paar Bildhauerschüler aus dem Medici-Garten, die sich im Zeichnen übten, darunter Pietro Torrigiani. Dieser sah von seinem Karton auf und funkelte Michelangelo mit einem bösen Lächeln an.
    »Ah, die Götter

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