Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Einfall hatte ihn nachlässig werden lassen. Lorenzo hatte recht, schalt er sich zornig. Er war eitel, hochmütig, selbstzufrieden gewesen und hatte gepfuscht! Beschämt schlug er die Augen nieder.
»Eure Kritik, Herr, trifft zu«, sagte er tapfer. »Nun ist es wahrlich an mir, zu krähen, weil ich vorher gegockelt habe.«
Lorenzos Miene blieb unbewegt, als er sich an Bertoldo wandte.
»Deine Schüler sollten sich besser wieder in der Bildhauerei üben. Ausgezeichnete Hähne werden sie schon von allein. Dazu hat sie ja bereits die Natur bestimmt.«
Lorenzo und seine Söhne wandten sich zum Gehen. Ehe sie sich ihnen anschloss, schenkte die Medici-Tochter Michelangelo noch ein freundliches Lächeln.
»Dein Faun hat meinem Vater gefallen!«, raunte sie ihm zu.
»Er kann nicht gut sein!«, murmelte er, ohne sie anzusehen, griff nach einem Steinbohrer und machte sich über die Zähne des Faunskopfes her. Das Mädchen zuckte mit den Achseln und lief ein bisschen ungestümer, als es sich für eine Medici gehörte, dem Vater und den Brüdern nach.
Die Medici hatten den Garten kaum verlassen, als Bertoldo zu Michelangelo trat und ihn wissen ließ, dass er am nächsten Abend bei Lorenzo dem Prächtigen zum Nachtmahl zu erscheinen habe.
9
Florenz, Anno Domini 1491
Tapfer und stolz trug Michelangelo seinen Faunskopf unter dem Arm, als er am Abend vom Haus seines Vaters in Richtung des Domes aufbrach, um von dort aus zur Via Larga zu gelangen, in der sich der mächtige Palazzo di Medici befand. Wenn er Lorenzo schon seine Aufwartung machen sollte, dann wollte er nicht ohne die beanstandete und überarbeitete Skulptur erscheinen. Nichts schien ihm wichtiger, als seinem Mäzen zu beweisen, dass er seinen Einwand verstanden und beherzigt hatte.
Wenig später stand der jungen Bildhauer vor dem Palazzo Lorenzos des Prächtigen. Rechts und links der Pforte loderten zwei große Fackeln, die in eisernen Schäften steckten und goldglühende Funken in die Luft warfen.
Michelangelo holte tief Luft und umfasste seinen Faunskopf fester. Dann trat er entschlossen durch die prächtige Eingangspforte und stieg die Treppe zum piano nobile hinauf. Neben der salà grande befand sich ein kleinerer Seitensaal, in dem der Hausherr mit seiner Familie und den Gästen seiner Tafel zu speisen pflegte.
Der Blick des jungen Bildhauers glitt über nahezu zwanzig Personen, die auf reich verzierten Ebenholzstühlen mit roten Polstern an einem langen Tisch aus dunklem Mahagoniholz saßen. Die Pracht der Gewänder der Anwesenden übertraf alles, was Michelangelo je gesehen hatte: Seine Augen schwelgten in dem Farbenspiel der auserlesenen Stoffe, die mit Pelzen, Spitzen und Bändern geschmückt waren. Wohin er auch schaute, blinkten Geschmeide aus Gold und Edelsteinen. Sein Herz sank. In seinem Sonntagsstaat, einer schwarzen Hose und einem einfachen weißen Hemd, über dem er ein rotes Wams trug, kam er sich armselig vor. Von dem Erlös eines dieser prächtigen Gewänder, dachte er trotzig, hätte ein armer Mann sein ganzes Leben bestreiten und zudem seinen Nachkommen ein hübsches Erbe hinterlassen können.
Doch die Augen des Künstlers in ihm konnten sich nicht sattsehen. Die Frauen trugen geschlitzte Kleider aus kostbarem Brokat, unter dem an Ärmeln und Seiten heller Damast durchschimmerte. Michelangelo sah blitzende Diademe und funkelnde Netze, die das Haar der Damen schmückten, prächtige Ringe, Armbänder und Halsketten. Das Geschmeide legte nicht nur Zeugnis ab von der außergewöhnlichen Kunstfertigkeit der Florentiner Goldschmiede, sondern auch vom Reichtum der ersten Familien der Stadt.
Am Kopfende der üppig gedeckten Tafel saß Lorenzo de Medici. Als er den jungen Bildhauer sah, erhob er sich mit einem freundlichen Lächeln. Die Gespräche verstummten, und alle Blicke folgten neugierig oder amüsiert dem Hausherrn, der eigens aufgestanden war, um einen ärmlich gekleideten Burschen zu begrüßen.
»Ah, der Sohn des ehrenwerten Lodovico gibt uns die Ehre. Komm und mach uns die Freude, dass du ab heute ein ständiger Gast an unserer Tafel sein wirst«, sagte Lorenzo.
Michelangelo stockte der Atem. Er glaubte, sich verhört zu haben, und hoffte, nicht antworten zu müssen, da ihm ein Kloß im Halse saß.
»Du hast den Faunskopf mitgebracht? Aus welchem Grund? Na, lass sehen.«
Lorenzo nahm die Plastik in beide Hände. Zwei Männer, die in seiner Nähe saßen und auffallend schlichter gekleidet waren als die übrige Gesellschaft,
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