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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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leicht den Kopf. »Verzeiht mir, aber ich vergaß, dass wir von klein auf mit klugen Männern wie Messèr Christoforo, Messèr Marsilio und Messèr Agnolo Umgang hatten. Was nicht unser Verdienst ist, sondern der Großzügigkeit unseres lieben Vaters zu verdanken«, sagte sie leise und deutete einen Knicks an. Das sanfte Rot, das flüchtig ihre Wangen streifte, bezauberte und verwirrte Michelangelo. Ein Engel, dachte er, wie von Giotto gemalt. Ach, Giotto – gegen Gott, der dieses Mädchen geformt hatte, konnte auch er nur als Stümper gelten, obwohl er der Beste von allen war.
    »Es ist an mir, Madonna, mich für meine Unbildung zu entschuldigen. Verzeiht, verzeiht«, brachte er stotternd hervor.
    »Ich habe meine Bildung geschenkt bekommen, lasst sie uns deshalb teilen. Ich bitte Euch darum!«, sagte Contessina.
    »Obwohl ich das Geschenk gern annehmen würde, ist es doch zu groß für mich. Ich würde auf ewig Euer Schuldner sein.«
    »Wäre das so schlimm? Aber Ihr irrt. Erst wenn ich die Gabe teile, wird sie mir ganz gehören. Erst dann habe ich sie nicht nur empfangen, sondern auch verdient.«
    Michelangelo wusste nicht, wie er darauf antworten sollte. Zwiespältige Gefühle übermannten ihn: Ebenso sehr, wie er ihrer anspruchsvollen Gegenwart zu entfliehen wünschte, mochte er sie keinen Augenblick missen. Landino trat zu einem der Regale, entnahm ihm ein kostbar eingebundenes Buch und schlug es auf.
    »Schau, dies ist Dantes ›Göttliche Komödie‹, mit meinem Kommentar versehen«, sagte Landino und fuhr mit dem Zeigefinger die Zeilen auf der Titelseite nach, die mit schwarzen, kunstvoll ineinander verflochtenen Rosen geschmückt war. Dann schloss er behutsam den Deckel des Buches und überreichte es Michelangelo.
    »Behalte es. In diesem Buch findest du alles, was du in deinem Leben brauchst.«
    »Nicht in der Bibel?«
    »Ja, natürlich, da auch«, sagte Landino mit einem schwer zu deutenden Lächeln.
    Michelangelo musterte das Buch von allen Seiten, dann fuhr er mit seinen Fingerspritzen über die hervorstehenden Buchstaben auf der Rückseite.
    »› F.S.K.I.P.F.T‹. Was bedeutet das?«
    »Es sind die Initialen der Tugenden: Fides, Spes, Caritas, Justitia, Prudentia, Fortitudo, Temperantia …«
    » … Glaube, Hoffnung, Liebe, Gerechtigkeit, Weisheit, Stärke, Mäßigung«, übersetzte Contessina.
    Michelangelo schlug das Buch auf. Beim Anblick der zahlreichen kunstvollen Abbildungen stockte ihm der Atem. Er begann zu ahnen, wie wertvoll dieses Geschenk war.
    »Ist das wirklich nur ein Buch oder das Auge der Medusa? Jedenfalls hat es Euch, so scheint es, versteinert«, spottete Contessina – zum ersten Mal gutmütig – und riss ihn aus seinen Gedanken. Dann verabschiedete sie sich, um sich für die abendliche Mahlzeit umzukleiden.
    »Ein wenig Wasser und ein frisches Hemd würden auch Euch, mein lieber Zähnebrecher, guttun«, rief sie ihm lachend über die Schulter zu.
    Michelangelo sah ihr wehmütig nach. Mit einem Schlag wurde es dunkler, und das Allerheiligste, als das der Raum ihm beim Betreten erschienen war, wirkte nun trist und deprimierend.
    Landino räusperte sich. »Junger Freund«, sagte er leise, »sie ist ein Göttergeschöpf, oh ja, und ich glaube auch, dass sie dich mag, aber hänge nicht dein Herz an sie, sie ist eine Medici.«
    Schamesröte überzog Michelangelos Gesicht, weil er sich durchschaut fühlte. Sein Stolz gab ihm ein, zu protestieren und zu leugnen, aber er wusste, dass der alte Mann recht hatte. Er nahm sich vor, künftig mehr Vorsicht walten zu lassen, wenn er Contessina in der Öffentlichkeit begegnete. Aber sein Herz würde von nun an wund sein.
    »Eine Waschgelegenheit befindet sich im Nebenraum, und Signora Landino hat bestimmt noch ein sauberes Hemd für dich«, sagte der Lehrer und fügte hinzu: »Wenn du möchtest, kannst du an unserer täglichen Dante-Lektüre teilnehmen. Lass es dir gesagt sein: Auch von dir handelt das große Gedicht.«
    Für Michelangelo brach die glücklichste und aufregendste Zeit seines Lebens an. Lorenzo de Medici hatte mit seinem Vater abgesprochen, dass er im Palazzo de Medici wohnen durfte, um an Landinos Unterricht teilzunehmen.
    Den Tag über erlernte er bei Bertoldo die Bildhauerei und versuchte sich in der Arbeit am Material, am späten Nachmittag begab er sich zu Landino und studierte Dante mit ihm – und mit Contessina. Zuweilen neckte ihn die Medici-Tochter mit schelmischem Lächeln, gleich darauf fuhr sie ihn an oder verbarg

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