Die langen Schatten der Erleuchtung
dem alten Knacker, eingelassen habe. Ich behaupte nicht, dass Sascha viel in der Birne hat, meine Lieben, aber sexuell ist er ein Stier, sage ich euch. So einer würde dir auch mal gut tun, Marlies!“
„Marlies ist schwanger!“, antwortete Jutta für Marlies.
„Und weiß man schon, wer der Vater ist? Harald kann’s ja wohl kaum sein, der hat doch seine Keuschheit seinem Kopierer geopfert!“
„Harald ist nicht wieder zu erkennen“, meinte Marlies milde, „seitdem er weiß, dass er im Sommer nächsten Jahres Vater wird. Er hat an der Volkshochschule einen Kursus für Säuglingspflege belegt! Er lernt jetzt auch das Bügeln und nimmt mir den Haushalt vollständig ab!“
„In seinen freien Minuten versucht er sich als Möbel-Designer!“, konnte es sich Jutta nicht verkneifen und wies auf ein rustikales Sitzangebot hin, wo einmal Käthchens Stahlsofa gestanden hatte.
„Marlies“, wurde Vera jetzt für Augenblicke etwas weicher, „wenn ihr eine Patentante sucht, ihr würdet mich sehr glücklich machen. Und Hartmut natürlich auch!“
„Wer ist denn nun wieder Hartmut?“
„Mein Mann natürlich!“ Vera deutete auf einen protzig eingefassten Diamanten am rechten Ringfinger. „Ich bin ja nicht für so kleinbürgerliche Riten zu haben, wie Ihr wisst, aber Hartmut hat darauf bestanden. Hartmut , habe ich gesagt, du ruinierst dich noch einmal für mich! Und wisst ihr, was mein Schatz geantwortet hat: Veralein, das würde ich liebend gern, aber technisch ist das wohl nicht möglich!“
„Noch mal, Vera - du bist verheiratet mit einem Hartmut, aber fährst mit diesem Sascha durch die Gegend?!“
„Ja, natürlich! Das ist das erste, was ich von Hartmut gelernt habe: Du bist jetzt auf der Seite, wo die Musik spielt, hat er mir gesagt, da gelten andere Regeln. Da gilt nur eine Regel: Geld! Die anderen Regeln sind für das Fußvolk, für die Versager, die sich nicht trauen oder nicht können! Vergiss es, Vera, du KANNST jetzt! Und was ich als Letztes will, ist, dass du ein langweiliges Leben an meiner Seite führst! Wir beide werden hin und wieder unsere eigenen Wege gehen, aber immer Seite an Seite! So läuft für mich jetzt der Hase!“
„Ich bin platt!“, staunte Jutta.
Vera hatte inzwischen die Kühlbox geöffnet und entnahm ihr eine Flasche Champagner. „Habt ihr mal Gläser, meine Süßen?“
„Für mich aber nur einen Fingerhut“, schränkte Marlies ein, „ihr wisst schon! Aber probieren will ich ihn auch mal!“
Vera ließ den Korken wegschießen und schenkte das schäumende Getränk ein. „Natürlich weiß ich, dass man Champagner so nicht öffnet, aber ich mag es halt so - schließlich bin ich kein Oberkellner! Prost!!“
„Aber noch Kommunistin?!“, setzte Jutta das Glas ab. „Mhmm, lecker!“
„Aber natürlich! Ich habe viel darüber nachgedacht! Heute bin ich mir sicher, dass mir vor allen Dingen der Umstand, dass das Ideal immer in weitere Ferne rückte, so zugesetzt hat. Der Tod von Käthchen war nur das Tröpfchen, das das Fass zum Überlaufen brachte! Natürlich glaube ich weiterhin an den Marxismus. Wo wird es die Welt hinführen, wenn es so weiter geht wie jetzt? Mein Hartmut ist ja auch nur ein kleiner Fisch. Doch die Zeiten der harmlosen Bauernaufstände gehören der Vergangenheit an, das weiß sogar das Kapital. Es gibt einfach keine bessere Alternative für die Menschheit als den Marxismus, wenn sie in Würde überleben will. Aber jetzt bin ich dabei, mich mal eine Weile von meinen Idealen auszuruhen. Ich war verbittert wie eine perfekte Hausfrau, die ständig mit ihrem Putzlappen herumläuft, aber ihren Haushalt nie sauber bekommt. Nicht, weil sie etwas falsch macht, nein, einfach, weil es nicht möglich ist! Ich werde mal für eine Weile die Schlampe machen! Kann gut sein, dass ich für diese Zeit ins andere Extrem schlage. Aber ich habe es mir doch verdient, oder?“
„Weiß Gott!“
„Und sonst läuft alles normal hier?“
„Bis auf Gerhard. Lissy hat ihn verlassen, und er ist durchgeknallt. Du kannst ihn jeden Tag auf der Piazza sehen. Er zählt dort seine Schritte!“
„DAS ist Gary.................?! Ich habe mich schon über diesen Typen gewundert, als ich mit Sascha an der alten Flora vorbei gefahren bin. Ich dachte, das ist wieder mal einer von denen, die sich interessant machen wollen!“
„Nein, nein! Gerhard ist wie Graf Zahl aus der Sesamstraße. So geht das jeden
Weitere Kostenlose Bücher