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Die langen Schatten der Erleuchtung

Die langen Schatten der Erleuchtung

Titel: Die langen Schatten der Erleuchtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirti Peter Michel , Klaus-Jürgen Leimann
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Limonade, die er draußen am Kiosk mit reichlich Korn hatte versetzen lassen.
     
    „Ach, Hanif…“, hauchte Vera müde und bleich aus ihrem Kissen.
     
    „Trink doch erst einmal einen Schluck von der Limonade, das wird dir gut tun!“ Hanif füllte das Wasserglas auf dem Nachttisch und führte es an Veras Lippen. Kaum hatte sie an dem Glas genippt, lächelte sie zaghaft: „Immer noch der alte Hanif, du Kindskopf!“
     
    „Liebe Vera, heute ist das wichtige Pokalspiel von St. Pauli. Eigentlich das entscheidende Match. Wenn sie das gewinnen, dann sind sie finanziell saniert. Es geht um alles! Wir beide haben an diesen Spieltagen immer ein gewisses Ritual gepflegt, an dem ich sehr hänge!“
     
    „Du meinst doch nicht etwa hier, Hanif!?“
     
    „UNBEDINGT! Du weißt doch, was Jojo immer sagt: Das wirkliche Leben ist immer nur JETZT und HIER! Und wo er recht hat, hat er recht!“
     
    Hanif wartete Veras Antwort gar nicht erst ab, sondern streifte die Träger seiner Latzhose ab, dass sie ihm um die Knöchel fiel. Zum ersten Mal in ihrer „Beziehung“ durfte er den Schlagmann machen, wenn auch nur im Stehen. Dann drehte er Vera so, dass sie auf dem Bauch und quer übers Bett ausgestreckt lag. Das Ritual war schon im vollen Gange, als die Mitpatientin wiederum für kurze Momente aus ihrem Dämmerschlaf erwachte und glaubte, auf das nackte Hinterteil eines kleinen, dunkelbraunen Mannes in einer gelben Bluse zu blicken, dessen Latzhose sich am Boden um ein Paar dürre Beine in Cowboystiefeln türmte. Der Mann hatte einen grauhaarigen Dutt auf dem Kopf und machte sich stehend zwischen den Schenkeln ihrer Zimmernachbarin auf eindeutige Weise zu schaffen. Bevor sie wieder in ihren komatösen Schlaf hinüber glitt, dachte sie noch: „ Ich muss unbedingt der Schwester Bescheid sagen! Ich vertrage diese Medikamente nicht! “
     
    Die Limonadenflasche auf Veras Nachttisch wackelte bedenklich, als beide sich durch ihr Finale keuchten und stöhnten. Aus dem Nebenzimmer rief eine hysterische Stimme nach der Schwester und schlug mit der Faust gegen die Wand. Vera bedauerte insgeheim, dass sie in diesem Arrangement viel zu lange versucht hatte, politisch immer nur die dominante Rolle zu spielen.
     
    Als Hanif seine Latzhose wieder hochgezogen hatte, schwang Vera ihre Beine über die Bettkante: „Hanif, ich will jetzt ins Raucherzimmer, etwas trinken und eine dampfen!“
     
    „So gefällst du mir wieder, meine Liebe! Wie nach einem Heimsieg!“
     
    Arm in Arm, die Brauseflasche in der Hand, machten sie sich auf den Weg zum Raucherzimmer. In dem verräucherten Raum saßen zwei Männer. Der eine war Patient und trug einen Bademantel. Er machte einen stark depressiven Eindruck. Der andere war ein Besucher. Vera erkannte in ihm den Immobilienmakler Hartmut Harras wieder, dem sie auf einer Demo durch das Schanzenviertel die Scheiben seines silbergrauen Mercedes der S-Klasse eingeworfen hatte. Harras war ein hoch gewachsener Mann, der einen teuren Kaschmir-Mantel trug. Sie musste jedoch zugeben, dass er sich rührend um den Mann im Bademantel kümmerte.
     
    „Das wird schon wieder, Helmut! Das kenne ich auch, das gibt es bei unserem Job gratis! Guck mich an, ich habe das alles hinter mir!“ Dabei nickte er grüßend in die Richtung von Vera und Hanif.
     
    „Ach, Hanif!“, meinte Vera beiläufig, als sie sich gesetzt hatten, „ich habe gar keine Zigaretten dabei!“
     
    „Darf ich ihnen mit einem Zigarillo aushelfen, Gnädigste?“ Harras ließ ein silbernes Zigarettenetui mit einer eleganten Bewegung aufklappen.
     
    „Gerne!“, erwiderte Hanif und langte als erster zu. Als Hartmut Harras Vera Feuer gab, meinte sie mit einem Augenaufschlag: „Sie müssen aber auch einen Schluck von meiner Limonade nehmen!“
     
    „Nichts lieber als das, meine Teuerste“, erwiderte Hartmut Harras, „ich hole schon mal Gläser aus der Teeküche!“
     
    Als er anschließend an seinem Glas genippt hatte, nickte er anerkennend: „Ein interessantes Getränk, wahrscheinlich sehr gesund! Liegen Sie hier auch auf dieser Station?“
     
    Vera nickte: „Zimmer 326!“
     
    „Ich besuche meinen Freund Helmut hier jeden Tag. Wenn Sie etwas benötigen…, ich bringe es Ihnen gerne vorbei!“
     
    „Vielleicht könnten Sie mir von zuhause etwas zum Anziehen mitbringen? Ich muss dringend mal wieder unter Leute!“
     
    „Dann geht es bergauf mit Ihnen! Ich kenne da eine schicke Modeboutique. Gleich Morgen bringe ich Ihnen ein paar

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