Die langen Schatten der Erleuchtung
nächste?!“
„Das sehe ich Ihnen schon so an“, sagte Dr. Yirimaz, „Sie sind eindeutig schwanger, Frau Mahnke! Wird Ihr Mann aber stolz sein! Aber wir machen gleich zur Sicherheit noch den Test, und dann sehen wir weiter!“
Der Test erwies sich als positiv, und Marlies schwebte nun endgültig im siebten Himmel. „Kommen Sie nun jede Woche einmal vorbei. Denn für eine Erstgeburt sind sie gerade nun auch nicht mehr die Jüngste, wenn ich das mal so ungalant sagen darf. Jedenfalls nach türkischen Maßstäben! Ich verschreibe ihnen gleich mal Schwangerschaftsgymnastik, damit Sie sich auf die Geburt gut vorbereiten können!“ Und ab sofort keine Zigaretten und kein Alkohol mehr! Möglichst auch keinen Kaffee! Leben Sie gesund, ernähren Sie sich vielseitig! Gut wäre auch ein wenig Schwimmen. Und keine Aufregung!“
Harald wäre beinahe sofort ins Cafe Lindenblüte gestürzt, als ihm Marlies die freudige Nachricht überbrachte. Er wusste immer noch nicht so recht, was er machen sollte und fuhrwerkte seit einiger Zeit im Schuppen hinter dem Haus herum. Er sägte und schraubte ziemlich windschiefe Sitzgelegenheiten für Küche und Garten zusammen, um die alle Personen der WG ängstlich einen großen Bogen machten. Nur Jojo benutzte sie in unerschütterlichem Gleichmut.
Harald war wie vom Schlag gerührt. Er setzte den Fuchsschwanz von der schiefen Schnittfläche ab. „Bist du Dir sicher?“
„Absolut! Ich bin in der 4. Woche, sagt Dr. Yirimaz!“
„Wer??“
Harald ließ sich auf einen ziemlich avantgardistischen Hocker nieder, der sein Erstlingswerk war. Dann sprang er wieder auf und drängte Marlies auf den Hocker: „Du musst dich schonen!“
Nach einer Weile sagte er: „Ich bin völlig fertig! Noch fertiger, als sie mir den Vorruhestand verkündeten! Ich muss das erstmal verarbeiten!
Und dann ging es doch noch mit Mann und Maus ins Cafe Lindenblüte. Marlies und Harald konnten es vor den anderen nicht verbergen. Zu groß war ihr Glück. Harald trug einen regelrechten Heiligenschein. Die Stimmung wurde ziemlich ausgelassen, und manches Glas wurde auf die beiden geleert. Harald jedoch saß tapfer vor einem großen Glas Wasser. „Ab jetzt nichts mehr!“
Man kann nicht über die Augenfarbe vom Weihnachtsmann spekulieren, ohne insgeheim den Glauben an den ganzen Spuk aufrecht zu erhalten.
Jan Cox
Comeback oder wie Vera ihre neue Weltanschauung zum Besten gibt.
Vor der Gartenpforte rangierte ein riesiger Geländewagen mit knurrendem Motor. Als er endlich seinen Platz halb auf der Straße, halb auf dem Bürgersteig eingenommen hatte, mussten die Fußgänger empört die Straßenseite wechseln. Aus dem Fahrersitz schälte sich ein Klotz von einem Kerl im Armani-Anzug. Er öffnete die Beifahrertür für eine Frau, die ihm wegen des engen Rocks und der roten Stöckelschuhe der Einfachheit halber auf den Arm glitt. Der Klotz setzte sie behutsam ab.
„Ich werd´ verrückt“, kreischte Jutta, „das ist ja unsere Vera!“
Vera war nicht mehr wiederzuerkennen: Von der Sonne der kanarischen Inseln braun gebrannt und die Haare jetzt pechschwarz gefärbt. Ihren Busen hatte sie nicht mehr unter reizlosen, selbst gestrickten Pullovern eingemottet, sondern bot ihn verschwenderisch dar wie die Äpfel in den Obstkisten der türkischen Gemüsehändler. Alles an ihr zuckte wie elektrisiert. Ihre Pobacken tollten wie junge Hunde in ihrem engen, roten Kleid, als sie vor dem Klotz den Plattenweg zur Veranda stöckelte.
Jutta hatte die Terrassentür längst geöffnet und breitete weit ihre Arme aus: „Ich glaub’s einfach nicht!“ Sie fielen sich in die Arme und küssten sich. In der Küche stellte der Klotz im Armani-Anzug eine Kühlbox auf den Tisch. „Sascha“, meinte Vera zu ihm, „es reicht, wenn du mich in zwei Stunden wieder abholst. Du kannst den Wagen nehmen!“
Dann drängten Marlies und Jutta sie auf die Küchenbank: „Los, erzähl, Vera! Wie ist es dir ergangen?“
Vera schlug die Beine übereinander und zündete sich eine Zigarette an: „Ich gebe zu, ich hatte damals schon einen Leichten an der Waffel. Das konnte man schon daran sehen, dass ich mich mit Hanif,
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