Die Lanze Gottes (German Edition)
Geschichte stimmt, ist die Tatsache, dass Rudolf sich längst mit dem Papst verbündet hat. Wahrscheinlich hat er ihm die Heilige Lanze tatsächlich angeboten. Der Papst wird darüber nachdenken, ob er auf den Handel eingehen soll. Dieses wichtige Symbol der Christenheit im Besitz des Papstes und der Kirche hätte große Auswirkungen auf den Streit mit den weltlichen Herrschern. Alle Könige würden sich dem Papst unterordnen. Es wäre ein Vorteil für die Reformer aus Cluny. Nein, Janus, glaube mir! Die Lanze ist längst auf dem Weg nach Rom, oder aber in sicherer Verwahrung. Es geht mittlerweile um viel mehr. Wem erweist Gott seine Gunst? Wie wird die Zukunft der Welt durch die Reformer aus Cluny gestaltet? Wer ist mächtiger? Der Adel, oder die Kirche? Rudolf wird nicht so dumm sein, die Heilige Lanze in einer einfachen Schlacht seinem Gegner zu opfern.«
»Aber was wäre, wenn ich zum König gehe und ihm die Wahrheit erzähle?«
Hermann lachte hell auf. »Du kennst ihn immer noch nicht, Janus. Der König würde dir nicht glauben. Und selbst wenn er es täte, wäre es ihm egal. Er ist sehr von sich überzeugt und glaubt, dass er der einzige rechtmäßige König ist. Nein, glaube mir, er wird nicht eher ruhen, bis Rudolf von Rheinfelden tot vor ihm im Schnee liegt. Selbst wenn Rudolf die zehn heiligsten Reliquien der Christenheit in einem Schrein vor sich hertragen würde, Heinrich gäbe nicht klein bei.«
Janus seufzte, er fühlte sich nicht besonders wohl bei diesem Schwindel. »Das heißt, wir werden diese Lüge decken, damit die Moral der Männer gestärkt wird? Gehen wir damit nicht zu weit?«
»Wir haben keine Wahl, Janus!«
Am nächsten Morgen prallten die beiden Heere aufeinander und Janus hatte den Auftrag, die hinteren Reihen zu befehligen. Die Schlacht dauerte lange und ein Schneesturm setzte ihnen gehörig zu. Janus konnte kaum die Hand vor Augen sehen und musste aufpassen, nicht auf eigene Männer einzuschlagen oder von ihnen getroffen zu werden. Am Nachmittag verebbten die Kämpfe.
Janus schaute auf das blutige Schwert in seiner Hand. Dann fiel sein Blick auf die Toten, die überall lagen. Er wusste nicht, ob sie die Schlacht verloren oder gewonnen hatten. Er nahm die Schreie der Verwundeten und die Befehle, die überall gerufen wurden, nur wie durch einen Nebel wahr. Vereinzelt wurde immer noch gekämpft.
Vor ihm im Schnee kauerte ein Waffenknecht Rudolfs. Der Mann hielt sich schützend die Arme vors Gesicht und begann zu beten. Janus blickte auf ihn herab und dann wieder auf das Schwert in seiner Hand.
Schließlich wandte er sich ab und schenkte dem Mann das Leben. Langsam schritt er durch die Toten und versuchte Hermann oder Notgar zu finden, und bei jedem Toten, den er im Schnee liegen sah, hatte er Angst, einer der beiden könne es sein. Er spürte wie ihm die Tränen kamen. Wieder ein Tag in der Geschichte König Heinrichs. Eine weitere ruhmreiche Schlacht. Gab es einen Sieger? Janus wusste es nicht und es war ihm auch egal. Er blickte in den Himmel. Welcher Tag war heute? Ein Tag nach dem dritten Sonntag nach Epiphanias des Jahres 1080. Ob es ein guter Tag war für den König? Ob der Tag Gott gefallen hatte? Dieser Tag, an dem hunderte Männer den Tod gefunden hatte, dachte Janus verbittert.
Schließlich sah Janus etwas abseits vom Bach einen Mann stehen. Hermann. Dem Herrn sei Dank, er lebte. Sie umarmten einander erleichtert.
»Die Schlacht ist zu Ende, Janus. Rudolf beansprucht den Sieg für sich. Das Heer von Vratislav ist fast gänzlich aufgerieben worden und die goldene Lanze befindet sich in der Hand des Gegners.«
Janus nickte, es überraschte ihn nicht. Rheinfelden hatten sich zahlreiche hervorragende Ritter des Reiches angeschlossen.
Trotz der hohen Verluste, ließ König Heinrich noch in der Nacht nach der Schlacht seinen Sieg verkünden. Am nächsten Tag berichteten Boten, der Gegner habe eine goldene Königslanze erobert. Die Geschichte um die Lanze verbreitete sich wie ein Lauffeuer und die Moral unter den Männern sank weiter. Der Krieg schien immer sinnloser und Janus erkannte, dass die Soldaten allesamt nur geopfert wurden. Sie wurden belogen und betrogen, durch Heinrich, durch Rudolf oder durch Vratislav. »Die Lanze Gottes«, flüsterte er verbittert zu sich selbst. Dass Rudolf nicht geschlagen wurde, verdankte er wohl zu allererst seinem Verbündeten Otto von Northeim. Janus hatte fest an den Sieg geglaubt, doch dem findigen Otto war es mit seinen Truppen wieder
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