Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
Vom Netzwerk:
Mr Big mit dem Auftrag gekommen waren, Päckchen mit nach Bangkok zu nehmen, hatte er zuerst an einen Scherz geglaubt, gab es doch keinen Ort auf der Welt, an dem die Straßenpreise für Drogen höher waren als in Oslo. Warum also Waren exportieren? Trotzdem hatte er nicht gefragt, er wusste ganz genau, dass er keine Antwort bekommen würde, und das war in Ordnung so. Er hatte sie aber darauf hingewiesen, dass in Thailand für Heroinschmuggel die Todesstrafe galt, und deshalb eine bessere Bezahlung verlangt.
    Sie hatten gelacht. Erst der Kleine, dann der Große. Tord hatte sich unweigerlich gefragt, ob kürzere Nervenbahnen vielleicht schnellere Reaktionen ermöglichten. Vielleicht waren die Cockpits der Düsenjäger so niedrig, um lange, träge Piloten gleich von vornherein auszuschließen.
    Der Kleine hatte Tord in seinem harten, russisch klingenden Englisch erklärt, dass es sich nicht um Heroin handele, sondern um einen ganz neuen Stoff. So neu, dass er noch nicht einmal verboten sei. Auf Tord Schultz’ Frage, warum sie denn einen legalen Stoff schmuggeln müssten, hatten sie nur noch lauter gelacht und ihn aufgefordert, keine weiteren blöden Fragen zu stellen, sondern einfach mit ja oder nein zu antworten.
    Tord Schultz hatte ja gesagt und sich dabei gefragt, ob eine andere Antwort überhaupt möglich gewesen wäre. Welche Konsequenzen hätte ein Nein gehabt?
    Das Ganze lag sechs Touren zurück.
    Tord Schultz betrachtete das Päckchen. Ein paarmal schon hatte er vorgehabt, Spülmittel auf die Kondome und Gefrierbeutel zu schmieren, die sie nutzten, aber jemand hatte ihm gesagt, dass die Drogenspürhunde Gerüche separieren konnten und sich von derart einfachen Tricks nicht beeinflussen ließen. Dass es einzig und allein auf die Dichtigkeit des Plastiks ankam.
    Er wartete. Nichts geschah. Dann räusperte er sich.
    »Oh, I almost forgot« , sagte Mr Small. »Yesterdays delivery …«
    Er griff in seine Jacke und grinste boshaft. Wenn es denn boshaft war, vielleicht war das auch einfach nur OstblockHumor? Tord hätte ihm am liebsten eine geklebt, ihm ungefilterten Zigarettenqualm ins Gesicht geblasen oder zwölf Jahre alten Whiskey in die Augen gespuckt. West-Humor. Stattdessen murmelte er »thank you« und nahm den Umschlag entgegen. Er fühlte sich dünn an. Es mussten große Scheine sein.
    Anschließend stellte er sich ans Fenster und sah dem Auto nach, das im Dunkeln verschwand, die Motorengeräusche wurden von einer Boeing 737 übertönt. Oder war das eine 600er? Auf jeden Fall eine NG . Ihre Stimme war heiserer und hatte einen höheren pitch als die der alten, klassischen Maschinen. Er sah sein eigenes Spiegelbild im Fenster.
    Ja, er hatte eingewilligt. Und er würde das auch in Zukunft tun. Alles akzeptieren, was das Leben ihm ins Gesicht klatschte. Denn er war kein Donald Draper. Kein Chuck Yeager oder Neil Armstrong. Er war Tord Schultz. Ein zu lang geratener Busfahrer mit Schulden. Und einem Kokainproblem. Er sollte …
    Seine Gedanken wurden von der nächsten Maschine übertönt.
    Verfluchte Kirchenglocke! Kannst du sie sehen, Papa? All die sogenannten Angehörigen, die sich über meinen Sarg beugen, ihre Krokodilstränen auf mich fallen lassen und mit bedröppelten Gesichtern jammern: Ach, Gusto, warum konntest du denn nicht lernen, so wie wir zu sein? Nein, ihr verdammten hypocrites , das konnte ich nicht! Ich konnte nicht werden wie meine Pflegemutter, strohdoof, verwöhnt, den Kopf voller Nichts und Blümchen. Mit ihren blödsinnigen Ansichten, dass alles gut wird, wenn man nur das richtige Buch liest, dem richtigen Guru zuhört oder die richtigen Scheißkräuter isst. Immer spielte sie dieselbe Karte aus, wenn jemand die Luft aus ihrem sorgsam aufgeblasenen Ballon auswendig gelernten Wissens ließ: »Mein Gott, was haben wir nur aus unserer Welt gemacht; überall Krieg und Ungerechtigkeit, die Menschen leben nicht mehr in natürlicher Harmonie mit sich selbst.« Drei Dinge, Baby. Erstens. Natürlich sind: Krieg, Ungerechtigkeit und Disharmonie. Zweitens. Du bist die am wenigsten harmonische in unserer kleinen Scheißfamilie. Du wolltest immer nur die Liebe, die dir verwehrt wurde, und hast einen Scheiß auf die gegeben, die du tatsächlich bekommen hast. Sorry, Rolf, Stein und Irene, aber sie hatte immer nur Platz für mich. Was Punkt drei umso amüsanter macht. Ich habe dich nie geliebt, Baby, wie sehr du auch geglaubt haben magst, meine Liebe zu verdienen. Ich habe dich Mama genannt, weil dich

Weitere Kostenlose Bücher