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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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umzudrehen, wie beleidigt sie war. Dabei war er wirklich noch etwas groggy vom Vorabend, denn nachdem die Mormonen gegangen waren, hatte er sich noch einen Wodka und ein paar Körnchen von dem Pulver gegönnt. Er hatte nicht so viel getrunken, dass er den Promilletest nicht bestehen würde, auf jeden Fall aber genug, um mit Grauen an die Müdigkeit zu denken, gegen die er nun elf Stunden lang da oben in der Luft ankämpfen musste.
    »Sieh doch!«, rief sie mit dem idiotischen Glissando, das so viele Frauen einsetzten, wenn sie etwas über alle Maßen süß und rührend fanden.
    Und er sah. Ein kleinerer, recht heller Hund mit langen Ohren, traurigen Augen und einem eifrig wedelnden Schwanz. Ein Springer Spaniel. Er kam auf sie zu, geführt von einer Frau mit zum Hund passenden, blonden Haaren, großen Ohrringen, einem vorsichtigen, prinzipiell unschuldigen Lächeln und freundlichen braunen Augen.
    »Ist der nicht süß?«, mahlte es neben ihm.
    »Doch«, sagte Tord mit einem leichten Knirschen in der Stimme.
    Der Hund steckte im Vorbeilaufen seine Schnauze in den Schritt des Piloten, der vor ihnen herging. Der Mann drehte sich um, hob eine Augenbraue und verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen, als wollte er irgendetwas Freches andeuten. Tord konnte den Gedanken des Mannes im Moment aber nicht folgen. Dafür setzte ihm viel zu sehr zu, was durch seinen eigenen Kopf schoss.
    Der Hund trug wie die Frau mit den Ohrringen eine kleine, gelbe Weste, auf der zwei Worte zu lesen waren: TOLL. CUSTOMS.
    Sie näherten sich, waren nur noch fünf Meter von ihnen entfernt.
    Eigentlich sollte das kein Problem sein. Konnte das kein Problem sein. Schließlich war der Stoff in Kondomen verpackt und außen noch doppelt mit Gefrierbeuteln umwickelt. Nicht ein Gasmolekül sollte diese Plastikschicht durchdringen. Also einfach lächeln. Entspannen und lächeln. Nicht zu breit, aber auch nicht zu schüchtern. Tord wandte sich der schnatternden Stimme neben sich zu, als erforderten die Worte, die sie hervorbrachte, seine ganze Aufmerksamkeit.
    »Entschuldigen Sie?«
    Sie waren an dem Hund vorbei, und Tord ging weiter.
    »Entschuldigen Sie!« Die Stimme klang schärfer.
    Tord richtete den Blick nach vorn. Die Tür des Crewcenters war weniger als zehn Meter entfernt. Sicherheit. Zehn Schritte. Home free .
    »Excuse me, Sir!«
    Sieben Schritte.
    »Ich glaube, die meint dich, Tord?«
    »Was?« Tord blieb stehen. Musste stehen bleiben. Dann sah er sich um und hoffte, dass seine Verblüffung nicht zu aufgesetzt wirkte. Die Frau in der gelben Weste kam auf sie zu.
    »Der Hund hat bei Ihnen angeschlagen.«
    »Bei mir?« Tord warf einen Blick auf den Hund. Wie …?, fragte er sich.
    Der Hund erwiderte seinen Blick und wedelte wild mit dem Schwanz, als wäre Tord sein neuer Spielkamerad.
    Wie war das möglich? Ein Kondom und eine doppelte Schicht Gefrierbeutel. Wie?
    »Und das bedeutet, dass wir Sie überprüfen müssen. Würden Sie bitte mitkommen?«
    Ihre braunen Augen waren noch immer freundlich, aber ihre Worte enthielten nicht die Spur einer Frage. Im selben Augenblick wurde ihm klar, wie das möglich war, und er ertappte sich dabei, mit den Fingern an der ID -Karte herumzufingern.
    Kokain.
    Er hatte vergessen, die Karte abzuwischen, nachdem er die letzte Line zerkleinert hatte. So musste es sein.
    Für die paar Körnchen sollte er aber eine Erklärung finden können. Wenn er auf einem Fest gewesen war und sie verliehen hatte …? Sein größtes Problem war im Moment aber sein Koffer. Bestimmt würden sie ihn untersuchen. Als Pilot hatte er unzählige Male Notprozeduren trainiert, so dass er auch in diesem Augenblick fast automatisch handelte. Genau darauf kam es schließlich an. Man musste handeln, auch in Stresssituationen. Wenn die Panik von einem Besitz ergriff, musste das Hirn in Ermangelung anderer Befehle vollkommen automatisch die Notprozedur starten. Wie oft hatte er sich vorgestellt, dass ein Zollbeamter ihn aufforderte, ihm zu folgen? Er hatte sich ausgemalt, was dann zu tun war, unzählige Male in Gedanken alles durchgespielt. Er wandte sich mit leicht resigniertem Lächeln der Stewardess zu, warf einen Blick auf ihr Namensschild und sagte: »Der Hund scheint auf mich reagiert zu haben, Kristin. Nimmst du meinen Koffer?«
    »Der Koffer kommt mit uns«, sagte die Zollbeamtin.
    Tord Schultz drehte sich um. »Ich dachte, der Hund hätte bei mir angeschlagen, nicht bei meinem Koffer.«
    »Das ist richtig, aber …«
    »In meinem

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