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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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eine Zigarette zu entfachen, aber sie kam nicht. Und als er das Rascheln von Stoff hörte und Isabelle Skøyens leises, protestierendes Lachen, war es bereits zu spät, sich zu erkennen zu geben. Ein weißer Schenkel zeichnete sich vor dem dunklen Stoff des Kleides ab, bevor der Rock entschieden wieder nach unten gezogen wurde. Stattdessen wandte sie sich Mikael zu, und ihre Köpfe verschmolzen zu einer Silhouette, die sich vor den Lichtern der Stadt abzeichnete. Truls hörte das Knacken von Speichel und drehte sich zum Wohnzimmerfenster um. Er sah Ulla lächelnd mit einem Tablett voller neuer Häppchen zwischen den Menschen hindurchlaufen. Truls verstand das nicht. Es ging einfach nicht in seinen Kopf. Nicht dass er überrascht war, es war nicht das erste Mal, dass Mikael untreu war, aber er kapierte nicht, wie er das überhaupt übers Herz bringen konnte. Wenn man eine Frau wie Ulla hatte, wenn man ein derartiges Riesenglück und das ganz große Los gezogen hatte, wie konnte man dann bereit sein, das alles für einen schnellen Fick zu riskieren? Fühlte man sich vielleicht verpflichtet dazu, sein Potential zu nutzen, wenn Gott – oder wer auch immer – einem all das gegeben hatte, was Frauen wollten, Aussehen, Charisma, Erfolg und eine glatte Zunge, die wusste, was sie zu tun hatte? War das wie bei diesen Zwei-Meter-Riesen, die einfach Basketball spielen mussten? Er wusste es nicht. Wusste nur, dass Ulla etwas Besseres verdient hatte. Jemanden, der sie liebte. Der sie liebte, wie er sie immer geliebt hatte. Und immer lieben würde. Das mit Martine war ein hirnloses Abenteuer gewesen, nichts Ernstes, und so etwas sollte sich ohnehin nicht wiederholen. Er hatte schon manchmal gedacht, dass er Ulla irgendwie wissen lassen sollte, dass er, Truls, für sie da sein würde, sollte sie Mikael jemals verlieren. Aber er hatte nie die richtige Gelegenheit gefunden, ihr das zu sagen. Truls spitzte die Ohren. Sie redeten.
    »Ich weiß nur, dass er weg ist«, sagte Mikael, und Truls konnte an seiner etwas undeutlichen Aussprache erkennen, dass auch Mikael nicht mehr ganz nüchtern war. »Aber sie haben die beiden anderen gefunden.«
    »Seine Kosaken?«
    »Ich glaube ja noch immer, dass das mit den Kosaken nur dummes Gerede ist. Aber egal, Gunnar Hagen vom Morddezernat hat mich gefragt, ob ich ihn unterstützen könnte. Es wurde Tränengas verwendet, und es sind automatische Waffen zum Einsatz gekommen, weshalb sie davon ausgehen, dass es sich um eine Art Bandenkrieg gehandelt haben könnte. Sie wollten wissen, ob Orgkrim da irgendeinen Verdacht hat. Sie selbst tappen vollkommen im Dunkeln.«
    »Und was hast du gesagt?«
    »Dass ich keine Ahnung habe. Und das stimmt ja auch. Wenn das eine neue Gang ist, haben die sich bislang verdammt bedeckt gehalten.«
    »Was meinst du, kann der Alte entkommen sein?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Ich glaube, sein Leichnam gammelt irgendwo vor sich hin.« Truls sah eine Hand, die zu den Sternen zeigte. »Vielleicht finden wir ihn ganz bald, vielleicht aber auch nie.«
    »Leichen tauchen doch immer wieder auf, oder?«
    Nein, dachte Truls. Er stand breitbeinig da, balancierte sein Gewicht über den Füßen und spürte, wie sie sich auf beiden Seiten gegen die Platten drückten. Das tun sie nicht.
    »Aber wie auch immer«, sagte Mikael. »Jemand hat das getan, und dieser Jemand ist neu. Es wird sich bald zeigen, wer der neue Drogenkönig von Oslo ist.«
    »Und, was meinst du, was bedeutet das für uns?«
    »Nichts, Liebling.« Truls sah, wie Mikael Bellman seine Hand hinter Isabelle Skøyens Nacken legte. Die Silhouette sah fast so aus, als würde er sie würgen. Dann trat Mikael einen Schritt zur Seite. »Wir sind da, wo wir hinwollten. Wir steigen einfach aus. Eigentlich hätte das für uns gar nicht besser enden können. Wir brauchen den Alten ja nicht mehr, und in Anbetracht der Tatsache, was er mit der Zeit alles gegen dich und mich in der Hand hatte, hätten wir …«
    »Hätten wir was?«
    »Hätten wir …«
    »Nimm die Hand da weg, Mikael.«
    Samtweiches Alkohollachen. »Wenn dieser neue König uns diese Arbeit nicht abgenommen hätte, hätten wir vielleicht selbst irgendwann aktiv werden müssen.«
    »Die Sache von Beavis erledigen lassen müssen, meinst du?«
    Truls zuckte zusammen, als er seinen verhassten Spitznamen hörte. Mikael hatte ihn als Erster so genannt, damals auf der weiterführenden Schule in Manglerud. Und dieser Name hatte sich festgesetzt, weil die Leute sich immer über

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